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Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya

20. Dezember 2012
Fünf Tibeter ertrinken bei Fluchtversuch
Anfang Dezember sind fünf Tibeter bei einem Fluchtversuch vor Sicherheitskräften ertrunken. Offenbar planten sie eine Selbstverbrennung am 9. Dezember in Driru in der Präfektur Nagchu im Norden Tibets.

Laut Informanten von RFA hatten insgesamt 7 Tibeter gemeinsam eine Selbstverbrennung in Driru, das schon am 4. Oktober Schauplatz einer Selbstverbrennung war [vergl. Tibet-Information vom 8. November 2012; UM], geplant. Ihr Plan wurde aber von Sicherheitskräften entdeckt, und zwei von ihnen wurden festgenommen. Die anderen fünf sprangen auf der Flucht in einen Fluss und ertranken.

Elf Verhaftungen nach Studentenprotest in Chabcha
Nach neuen Nachrichten aus Tibet kam es laut ICT in Chabcha nicht nur zu einer gewaltsam niedergeschlagenen Protestaktion der Studenten [vergl. Tibet-Informationen vom 26. und 28. November 2012; UM], sondern es ereigneten sich insgesamt drei Proteste mit mehreren Schwerverletzten.

Wie vorher berichtet, hatten sich die Proteste daran entzündet, dass die Studenten einen Fragenkatalog mit 10 Fragen „politisch korrekt“, d.h. im Sinne der Parteilinie, beantworten sollten. Parallel dazu wurde ihnen eine im Mai gedruckte Broschüre mit dem Titel „Zehn Sichtweisen zur gegenwärtigen Situation in der Provinz Tsolho“ überreicht, die die Antworten auf die 10 Fragen gleich vorgab.

In der Broschüre heisst es unter anderem, der Dalai Lama sei keine gewöhnliche religiöse Figur, sondern habe eine „politische Agenda, um das chinesische Mutterland zu spalten“, und er sei „ein politisches Werkzeug der westlichen Opposition gegen China“. Diejenigen, die sich selbst verbrennen, begingen „Akte des Terrorismus“ und seien nur „Marionetten der tibetischen Unabhängigkeitsbewegung“ und „Opfer einer Verschwörung“.

Der erste Protest am 26. November, bei dem zahlreiche Studenten die Broschüre einfach weggeworfen oder verbrannt hätten, wurde gewaltsam niedergeschlagen, wobei ein Student schwerste Kopfverletzungen erlitt. Der brutale Einsatz der Sicherheitskräfte löste eine zweite Protestaktion aus, an der sich insgesamt etwa 1‘000 Studenten der Schule beteiligten. Auch diese wurde gewaltsam beendet und hinterliess vier weitere Schwerverletzte. Am 28. November schliesslich demonstrierten die Studenten vor dem lokalen Regierungsgebäude in Chabcha, und auch diese Demonstration wurde unter Schlägen und Einsatz von Tränengas aufgelöst.

Danach wurden insgesamt 8 Studenten als Rädelsführer verhaftet. Über ihr Schicksal ist nicht weiteres bekannt. Anfang Dezember wurden darüber hinaus noch 3 Mönche des örtlichen Klosters verhaftet, weil sie Nachrichten und Fotos der Protestaktionen verbreitet hätten.

Sicherheitskräfte zogen in ein nahe dem Kloster gelegenes Militärquartier ein, das seit einiger Zeit leer stand, und hielten dort Manöver ab, um die Bevölkerung einzuschüchtern.

Quellen: Radio Free Asia RFA; International Campaign for Tibet ICT

 

28. November 2012
Weitere Selbstverbrennungen
Wie erst jetzt bekannt wurde, haben sich zwischen dem 22. und  26. November insgesamt 5 Selbstverbrennungen ereignet. Damit steigt die Zahl insgesamt auf 82 seit Beginn der Serie. Vor dem etwa 20-jährigen Wangyal, der sich vor einer Skulptur in einem Park in Serthar in Flammen setzte, und dessen Schicksal weiter unbekannt ist [vergl. Tibet-Information vom 26. November 2012; UM], zündeten sich drei jüngere Tibeter und eine Tibeterin an und starben.

In Dowa im Bezirk Rebkong, das Schauplatz mehrerer Selbstverbrennungen in den letzten Wochen war, zündete sich am Nachmittag des 22. November der 19-jährige Lubum Tsering an. Trotz Strafandrohungen der Behörden [vergl. Tibet-Information vom 22. November 2012; UM] brachten Mönche den Leichnam in das örtliche Kloster und führten die Kremation mit den Totenritualen durch. Sicherheitskräfte, die mit insgesamt sieben Transportfahrzeugen in Dowa erschienen, hinderten mit einer Strassensperre die Bevölkerung von Dowa, der Familie einen Beileidsbesuch abzustatten.

Am 23. November setzte sich der 29-jährige Tamdin Dorjee vor einem örtlichen Verwaltungsgebäude in Dokarmo in Brand. Er soll dabei mit den Händen in Gebetshaltung Parolen für ein langes Leben des Dalai Lama gerufen haben. Auch hier versammelten sich mehrere Hundert Mönche und Laien für Gebete.

Ebenfalls in Dokarmo zündete sich am 25. November die Nonne Sangay Dolma, deren Alter unbekannt ist, vor dem Gebäude der Bezirksverwaltung an und starb auf der Stelle.

Am 26. November, am gleichen Tag wie Wangyal, starb ein junger Tibeter, Konchok Tsering, als er sich vor einer Mine im Bezirk Kanlho im Nordosten Tibets, heutige Provinz Gansu, in Brand setzte. Im örtlichen Kloster hätte sich danach eine grosse Zahl von Tibetern für Gebete zusammengefunden.

Inzwischen haben Regierungskader von den örtlichen Dorfvorstehern in Dowa und anderen Bezirken der Region unterschriebene Verpflichtungserklärungen eingeholt, in denen sie sich verpflichten, Selbstverbrennungen in ihrem Bezirk zu verhindern. Wie dieses genau geschehen soll, ist nicht bekannt. Auch müssen sich die einzelnen Haushalte schriftlich verpflichten, keine Selbstverbrennung zu begehen. Wer sich der Unterschrift verweigere, werde laut TCHRD sofort deportiert.

Hintergründe des Studentenprotests in Chabcha
TCHRD hat weitere Details über den am 26. November blutig niedergeschlagenen Studentenprotest in Chabcha berichtet [vergl. Tibet-Information vom 26. November 2012; UM].

Demnach brach der Protest aus, als die Studenten während einer „Umerziehungssitzung“ einen Fragebogen mit 10 Fragen erhielten, den sie ausfüllen sollten. Darunter waren Fragen wie „Was ist die Natur der Selbstverbrennungen?“, „Was sind die Folgen von illegalen Versammlungen und Demonstrationen?“, oder „Unter wessen Führung wurde die Gleichheit der Nationalitäten verwirklicht?“. Während sie die Fragebögen ausfüllten sollten, wurde in Ansprachen von Kadern der Dalai Lama verunglimpft.

Darauf sei Protest ausgebrochen, und die Studenten riefen Parolen wie „Gleichheit der Nationalitäten“, „Freiheit für die Sprache“, „Achtung der Wahrheit“ und „Einsetzung einer neuen Regierung“. Nach etwa 2 Stunden hätten Sicherheitskräfte den Protest gewaltsam beendet. Dabei seien etwa 20 Studenten verletzt worden, vier davon so schwer, dass sie in das Spital eingeliefert wurden. Bei der Niederschlagung sei auch Tränengas zum Einsatz gekommen, nach unbestätigten Berichten sogar Schusswaffen. Weitere Informationen sind nicht zu erhalten, da die Universität weiterhin von paramilitärischen Einheiten und Soldaten abgeriegelt ist.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)

 

26. November 2012
Eine weitere Selbstverbrennung
In Serthar, im Nordosten Tibets, hat sich am 26. November der etwa 20-jährige Wangyal vor einer Skulptur in einem Park in Flammen gesetzt. Sicherheitskräfte seien sofort zur Stelle gewesen und hätten ihn abtransportiert. Mehr Informationen sind zurzeit nicht zu erhalten, und es ist auch unklar, ob Wangyal überlebt hat oder nicht.

Studentenprotest blutig niedergeschlagen
Ebenfalls im Nordosten Tibets, in Chabcha, Distrikt Tsolho, wurde am 26. November eine Protestaktion von Medizinstudenten der lokalen Hochschule gewaltsam niedergeschlagen. Eine grosse Zahl von Studenten hatte sich um 6 Uhr früh versammelt und forderte Gleichbehandlung mit chinesischen Bewohnern, Freiheit und eine Änderung der politischen Führung.

Sicherheitskräfte griffen sofort ein und verletzten eine ungenannte Zahl von Demonstranten. Fotos von der Aktion sind auf http://tibet.net/2012/11/26/many-students-seriously-injured-in-massive-protest-in-tibet/ publiziert.

Weitere Details sind nicht in Erfahrung zu bringen, da die Studenten von Sicherheitskräften in der Hochschule eingeschlossen sind.

Quellen: Central Tibetan Administration

 

22. November 2012
Zwei weitere Selbstverbrennungen
Im Norden Tibets, heutige chinesische Provinz Qinghai, verbrannte sich am Abend des 19. November der 25-jährige Wangchen Norbu. Er setzte sich vor einem Kloster in Brand, rief Parolen für die Rückkehr des Dalai Lama und die Freilassung des Panchen Lama, und starb kurz darauf. Nach Angaben von Zeugen habe er noch am 8. November an einer Gebetszeremonie im gleichen Kloster für die bisherigen Opfer der Selbstverbrennungen teilgenommen. Noch in der Nacht wurde sein Leichnam unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung kremiert. Sicherheitskräfte seien jetzt in grosser Zahl in der Region präsent.

Am 21. November setzte sich der 35-jährige Tsering Dhundup, Vater von drei Kindern, aus Protest gegen eine Goldmine in Brand und starb kurz darauf. Laut Informanten von TCHRD hatten sich die Anwohner schon lange über die Aktivitäten der Goldmine beschwert, weil sie das Grundwasser verseuche und den Bauern das Weideland wegnehme. Zahlreiche Petitionen und friedliche Proteste hätten jedoch keinerlei Erfolg gehabt. Tsering Dhundup hinterlässt eine vierköpfige Familie mit seiner Frau und seinen drei Kindern, die 16, 15 und 8 Jahre alt sind.

Behörden drohen mit Kollektivstrafen nach Selbstverbrennungen
Die Regierungsbehörden in Malho im Norden Tibets, heutige Provinz Qinghai, das in den letzten zwei Wochen Schauplatz mehrerer Selbstverbrennungen war, drohen mit schweren Strafen für alle, die in irgendeiner Weise Sympathie oder Mitleid für die Familien von Selbstverbrennungsopfern zeigen.

In einer Weisung vom 14. November, die TCHRD vorliegt, werden alle Partei- und Regierungskader detailliert über die Bestrafungen instruiert, die sie für die Familien von Selbstverbrennungsopfern und solche, die ihnen ihr Mitleid beweisen, zu verhängen haben. Die Weisung wurde nicht nur an Kader versandt, sondern auch durch den lokalen Fernsehsender verbreitet.

Demnach verlieren alle Familienmitglieder einer Person, die sich selbst verbrannte, unwiderruflich für 3 Jahre jegliche finanzielle Unterstützung durch die Regierung. In den Dörfern, in denen sich Selbstverbrennungen ereigneten, werden alle vom Staat geförderten Entwicklungsprojekte gestrichen, und zwar auch solche, die schon früher genehmigt wurden.

Eine Parteikommission wird detaillierte Untersuchungen starten, ob und welche Kader es versäumten, für „Stabilität“ und „Harmonie“ in ihrer Region zu sorgen. Alle fehlbaren Kader, speziell solche, die selbst den Familien der Opfer Besuche abstatteten, verlieren ihre Posten. Wenn Angehörige der sogenannten „Demokratischen Verwaltungskomittees“– der staatlichen „Aufsichtsorgane“ der Klöster – an Gebetszeremonien beteiligt waren oder die Familien besucht haben, werden sie bestraft. Die betreffenenden Klöster werden komplett geschlossen. Wenn Dörfer kollektiv Gebetszeremonien organisiert haben, werden in ihnen ebenfalls alle staatlichen Fördermittel gestrichen.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia RFA

 

18. November 2012
Erste Selbstverbrennung in Europa
Nach einer Meldung des Österreichischen Fernsehens hat sich ein 38-jähriger britischer Staatsangehöriger, der seit 5 Jahren als Mönch in einem tibetischen Kloster im südfranzösichen Labastide-Saint-Georges lebte, am 16. November im Garten mit Benzin übergossen und angezündet. Er starb kurz darauf. Laut ORF ist es aber noch unklar, ob sich der Mönch damit den Protesten in Tibet anschloss oder aber persönliche Gründe eine Rolle spielten.

Zwei Selbstverbrennungen in Rebkong
Die Welle Selbstverbrennungen in Rebkong nimmt kein Ende [vergl. Tibet-Information vom 8. und 15. November 2012; UM]. Allein in Rebkong verbrannten sich damit 8 Tibeterinnen und Tibeter innerhalb von 10 Tagen.

Am 17. November zündete sich zuerst die 23–jährige Chakmo Kyi, Mutter von zwei Kindern, an und starb. Ihr Leichnam wurde in das Kloster Rongwo gebracht und noch am gleichen Abend unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung – angeblich mehreren tausend Tibetern – an einem sonst Mönchen vorbehaltenen Ort kremiert. Zuvor war es zu Auseinandersetzungen zwischen Tibetern und Sicherheitskräften gekommen, als diese versuchten, den Leichnam abzutransportieren. Die Kremation wurde auch von chinesischen Regierungskadern beobachtet, die aber nicht eingriffen.

Nur 3 Stunden nach Chakmo Kyi zündete sich der 24-jährige Sangda Tsering vor einem Regierungsgebäude an. Obwohl Sicherheitskräfte mit einem Feuerlöscher herbeieilten, starb er auf der Stelle. Sangda Tsering hatte sich in den Tagen vor seiner Tat gegenüber seiner Frau und Freunden über den Mangel an Freiheit in Tibet beklagt und gesagt, es gebe keinen Grund für ihn, am Leben zu bleiben. Auch hatte er vor einer Woche ein Gedicht über die Situation in Tibet verfasst und via Mail versandt.

In Rebkong sind nun an allen grösseren Strassenkreuzungen Lastwagen mit Sicherheitskräften stationiert. Dazu stehen am Strassenrand in regelmässigen Abständen Fahrzeuge mit Regierungskadern, die die Bevölkerung beobachten.

Quellen: ORF Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia RFA

 

15. November 2012
Weitere drei Selbstverbrennungen
Seit dem 10. November haben sich wiederum drei Tibeter selbst verbrannt. Damit steigt die Zahl der Selbstverbrennungen auf 72, oder möglicherweise 74, wenn der Vorfall vom April d.J., der seitens der Behörden als „Unglück“ dargestellt ist, hinzu gezählt wird [vergl. Tibet-Information vom 23. Oktober 2012; UM].

Am 10. November setzte sich der 19-jährige Gonpo Tsering vor einem Kloster in der Gemeinde Amchok in der Autonomen Region Kanlho in Brand und starb wenige Stunden später. Er rief dabei Parolen für die Freiheit Tibets, die Rückkehr des Dalai Lama und „Freiheit der Sprachen“. Letzterer Slogan war in der Protestbewegung gegen die geplante Einführung der chinesischen anstatt der tibetischen Sprache als Standardsprache im Schulunterricht populär geworden [vergl. Tibet-Information vom 21. Oktober 2010; UM]. Gonpo Tsering galt als bester Schüler seiner Klasse an der Oberschule des Bezirks und hatte mehrere Auszeichnungen für seine Leistungen erhalten.

Am 12. November zündeten sich im Abstand von wenigen Stunden in der Stadt Dowa im Bezirk Rebkong der 23-jährige Nyingkar Tashi und der 20-jährige Nyingchag Bum an und starben kurz darauf. Radio Free Asia gibt das Alter von Nyingchag Bum mit 16 Jahren an. Die Selbstverbrennungen geschahen während einer Gebetszeremonie für Tamdin Tso, die sich am 7. November selbst verbrannt hatte [vergl. Tibet-Information vom 8. November 2012; UM].

Massive Schülerproteste in Rebkong
Nach den drei Selbstverbrennungen vom 7. und 8. November in Rebkong [vergl. Tibet-Information vom 8. November 2012; UM] kam es dort zu massiven Protesten von Schülern. Zwar wurden Sicherheitskräfte in grosser Zahl am Ort der Proteste zusammengezogen, griffen jedoch nicht ein.

Am 8. November demonstrierten etwa 700 Schüler auf den Strassen von Dowa und rissen chinesische Flaggen von ihrer Schule und einem Regierungsgebäude herab. Insgesamt sieben Transportfahrzeuge mit Sicherheitskräften, die kurz nach Beginn am Ort des Protests eintrafen, wurden von Anwohnern umstellt und am Weiterfahren gehindert.

Einen Tag später wuchs die Menge der Demonstranten nach Informationen von TCHRD auf etwa 5‘000 an. Hierzu fanden sich auch Schüler aus Nachbarbezirken ein. Die Demonstranten versammelten sich auf einem Platz vor dem lokalen Kloster Rongwo, rezitierten Gebete und riefen Parolen für ein freies Tibet, die Rückkehr des Dalai Lama und „Gleichheit der Nationalitäten“. Obwohl sich auch die Bewohner von Dowa dem Protest anschlossen und die Menge stetig wuchs, haben die überall in der Stadt stationierten Sicherheitskräfte nicht eingegriffen.

Auch die Parole nach Gleichheit der Nationalitäten war während der Schülerproteste vor zwei Jahren gegen die Einführung des Chinesischen als Unterrichtssprache häufig gebraucht worden. Schon damals hatten bis zu 7‘000 Schüler an einem Tag in Rebkong protestiert.

 Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; International Campaign for Tibet ICT; Free Tibet UK

 

8. November 2012
Weitere Selbstverbrennungen – möglicherweise sechs in den letzten 2 Tagen, darunter 3 Teenager
Nach noch unbestätigten Meldungen von TCHRD und ICT haben sich am 7. und 8. November möglicherweise 6 Tibeter selbst verbrannt, darunter drei Jugendliche im Alter von 15 und 16 Jahren.

Die drei Jungen Mönche, der 15-jährige Dorjee und die beiden 16-jährigen Mönche Samdup und Dorjee Kybone zündeten sich am 7. November in Ngaba an, das Schauplatz der meisten Selbstverbrennungen war. Der 15-jährige Dorjee starb, über das Schicksal der beiden anderen ist nichts bekannt. Diese Selbstverbrennungen wurden durch TCHRD and ICT bestätigt.

Am gleichen Tag setzte sich der 23-jährige Nomade Tamdin Tso in Rebkong in Brand und starb ebenfalls.

Auch soll sich am 7. November ein Tibeter in Driru verbrannt haben, jedoch fehlen hier bisher jegliche Details.

Am 8. November zündete sich ebenfalls in Rebkong ein junger Tibeter namens Kalsang Jinpa an. Sein genaues Alter und sein Zustand sind nicht bekannt

Verhaftungen und Bestechungsversuch im Kloster Dokar
Nach der Selbstverbrennung von Sangay Gyatso auf dem Gelände des Klosters Dokar am 6. Oktober [vergl. Tibet-Information vom 17. Oktober 2012; UM] wurde das Kloster von einem grossen Aufgebot von Sicherheitskräften besetzt, die jeden Mönch einzeln vernahmen. Vier Mönche wurden festgenommen, offenbar weil sie sich um den verbrannten Leichnam gekümmert und Fotos gemacht hatten.

Auch suchten Behördenvertreter die Witwe von Sangay Gyatso auf und wollten sie dazu bringen, ein Dokument zu unterschreiben, dass die Selbstverbrennung durch einen Familienstreit ausgelöst worden sei. Als Belohnung boten sie ihr die für tibetische Verhältnisse extrem hohe Summe von umgerechnet etwa Fr. 140‘000 an, was die Witwe aber ablehnte.

Die Witwe gab an, dass sich Sangay Gyatso am Morgen der Selbstverbrennung in eine traditionelle tibetische Chuba kleidete und mit einem leeren Benzinkanister das Haus verliess. Er sagte seiner Frau, er wolle den Kanister füllen und damit einem Freund helfen, dem das Benzin ausgegangen sei.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; International Campaign for Tibet ICT

 

5. November 2012
Kein Ende der Serie von Selbstverbrennungen
Die Welle der Selbstverbrennungen erreichte in den Tagen zwischen dem 22. und 26. Oktober einen tragischen Höhepunkt. Nach den zwei Selbstverbrennungen am 22. Oktober [vergl. Tibet-Information vom 23. Oktober 2012; UM] in der Region um das Kloster Labrang im Nordosten Tibets, heutige chinesische Provinz Gansu, wählten noch sechs weitere Tibeter den Weg der Selbstverbrennung. Damit haben sich innerhalb von nur fünf Tagen insgesamt acht Tibeter in Flammen gesetzt. Ausserdem setzte sich am 4. November noch ein weiterer Tibeter in Brand.

Am 23. Oktober zündete sich in Labrang der 58-jährige Dorjee Rinchen, Vater zweier Kinder, vor dem Büro für Öffentliche Sicherheit an und starb kurz darauf. Zwischen den herbeigeeilten Sicherheitskräften und Tibetern ereignete sich eine Auseinandersetzung um den Abtransport seines Leichnams. Schliesslich gelang es den Anwohnern, die sterblichen Überreste in die Wohnung seiner Familie zu bringen. Sicherheitskräfte verhinderten jedoch, dass Mönche aus dem Kloster Labrang zur Wohnung gelangen konnten, so dass diese die Gebete für den Toten unterwegs am Strassenrand verrichten mussten.

Am 25. Oktober setzten sich zwei Tibeter, der 20-jährige Tsepo und der 25-jährige Tenzin, gemeinsam in der Nähe eines Regierungsgebäudes in Nagchu nördlich von Lhasa in Brand. Beide waren Mönche im Kloster Bankar in der Region Nagchu. Während Tsepo kurz darauf im Spital starb, ist über das Schicksal von Tenzin nichts bekannt. Nach unbestätigten Berichten waren beide Cousins.

Am 26. Oktober zündete sich der 21-jährige Tsepak Kyap (Schreibweise nach anderen Quellen Tsewang Kyab; UM) in den Strassen der Ortschaft Sangkhog in der Region Labrang an und starb am gleichen Tag. Er soll, in Flammen stehend, Parolen für die Freiheit Tibets, die Rückkehr des Dalai Lama, Freiheit für alle politischen Gefangenen und die Freilassung des Panchen Lama gerufen haben, bevor er zusammenbrach. Tsepak Kyap war seit weniger als einem Jahr mit der 18-jährigen Dorjee Dolma verheiratet. Er habe am Tag seiner Selbstverbrennung die Wohnung mit dem Motorrad verlassen und sei nach Sangkhog gefahren, wo er sich gleich nach der Ankunft auf der Hauptstrasse in Brand setzte.

Ebenfalls am 26. Okober setzte sich in der Region Sangchu, Autonome Region Kanlho im Nordosten Tibets, der 24-jährige Lhamo Tseten vor einem Verwaltungsgebäude und dem Quartier der Bewaffneten Volkspolizei in Brand. Er habe davor mit Freunden in einem Restaurant gegessen, sei dann langsam auf die Strasse getreten und habe sich angezündet, ohne dass er vorher von seinem Plan erzählt hätte. Parolen rufend sei er zusammengebrochen und habe dabei seine Hände zum Gebet zusammengelegt. Tibeter verhinderten, dass sein Leichnam von Sicherheitskräften abtransportiert wurde. Danach sei ein grosses Aufgebot von paramilitärischen Kräften in der Ortschaft eingetroffen, und alle Internetverbindungen wurden getrennt.

Am 4. November setzte sich Dorjee Lhundrup in Rebkong im Norden Tibets, heutige chinesische Provinz Qinghai, in Brand. Sein Alter wird mit „Mitte 20“ angegeben. Er zündete sich mitten auf einer Strasse an und starb kurz darauf. Tibetern gelang es, seinen Leichnam in ein nahe gelegenes Kloster zu bringen, wo die Mönche Gebete für ihn verrichteten und seine Urne später an einer Stelle, die normalerweise nur für hohe Würdenträger des Klosters vorgesehen ist, bestatteten. In Rebkong hatte sich am 14. März bereits ein 34-jähriger Mönch verbrannt [vergl. Tibet-Information vom 19. März 2012; UM].

China setzt hohe Belohnungen für Hinweise auf Selbstverbrennungen aus
Laut einem Aushang in der Provinz Gansu versprechen die Behörden hohe Belohnungen für Hinweise auf Personen, die eine Selbstverbrennung planen, oder solche, die dazu „anstiften“. Die Belohnung wurde mit der - gemessen am tibetischen Jahreseinkommen - horrenden Summe von umgerechnet etwa Fr. 7‘500 ausgesetzt. Für alle Hinweise über die Hintergründe der kürzlichen Selbstverbrennungen (s.o.) wurden umgerechnet etwa Fr. 2‘800 versprochen.

Im Aushang wurden wieder einmal „separatistische Kräfte“ im Ausland sowie der Dalai Lama beschuldigt, die Selbstverbrennungen angezettelt zu haben, um „das Land zu spalten und die soziale Harmonie zu zerstören“.

Restriktionen verschärft: Mobilfunknetz gesperrt, Benzin rationiert
Angesichts der Selbstverbrennungen in der Region um Labrang haben die Behörden dort zahlreiche Restriktionen implementiert. Der Verkauf von SIM-Karten für Mobiltelefone ist bis auf weiteres verboten, das Mobilfunknetz ist lahmgelegt, und Internetcafes sind geschlossen. Der Verkauf von Benzin oder anderen brennbaren Flüssigkeiten ist stark eingeschränkt. Weil Benzin nur noch in kleinen rationierten Mengen verkauft wird, ist die Mobilität stark eingeschränkt.

In der Region um Lhasa benötigen die Tibeter zwei Dokumente, ausgestellt von der lokalen Polizei und von der Regierung, um überhaupt Benzin kaufen zu können. Nicht selten würden bei den zahlreichen Polizeikontrollen in Lhasa Plastikflaschen aus Angst konfisziert, diese würden brennbare Flüssigkeiten enthalten und zu Selbstverbrennungen verwendet.

Einreiseverbot nach Tibet für Ausländer
Seit Ende Oktober ist Tibet für Ausländer komplett gesperrt. Den Reiseveranstaltern wurde ohne Begründung mitgeteilt, dass derzeit keine Einreisen möglich seien.

Im September waren bereits die Einreisebedingungen für Ausländer verschärft worden [vergl. Tibet-Information vom 13. September 2012; UM]. Ausländer durften nur noch nach vorheriger Genehmigung und in Gruppen von mindestens 6 Personen einreisen. Auch diese restriktive Regelung wurde jetzt, nach nur kurzer Gültigkeit, ausser Kraft gesetzt.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Phayul; Radio Free Asia; Die Welt

 

23. Oktober 2012
Am 22. Oktober haben sich wiederum zwei Selbstverbrennungen ereignet. Damit haben sich insgesamt 57 Tibeterinnen und Tibeter selbst angezündet. Zählt man noch den ungeklärten Vorfall vom 6. April (siehe unten) hinzu, steigt die Zahl der Selbstverbrennungen auf insgesamt 59.

 Zwei weitere Selbstverbrennungen
Der 65-jährige Dhondup, ein in einem Dorf nahe dem Kloster Labrang lebender Nomade und Bauer, zündete sich am 22. Oktober auf dem Gelände des Klosters an und starb kurz darauf. Labrang, im Nordosten Tibets in der heutigen Provinz Gansu gelegen, ist eines der grössten tibetischen Klöster.

Dhonpu wählte einen Ort auf der Umwandlungsroute nahe dem Klostereingang für seine Tat (siehe Foto). Soldaten seien kurz darauf erschienen und hätten seinen Körper in einen Sack gesteckt und fortgetragen. Auch hätten Sicherheitskräfte eine Gebetszeremonie am Ort der Selbstverbrennung zu verhindern versucht, die von zahlreichen Mönche und Laien besucht wurde. Das Kloster ist seitdem abgeriegelt, und alle Telefonverbindungen sind unterbrochen.

Am gleichen Tag setzte sich in der Nähe von Labrang ein weiterer, noch unbekannter Tibeter beim in Brand. Ausser, dass sein Körper von Polizeikräften weggetragen wurde, ist nichts weiter bekannt. Angesichts der angespannten Lage ist es sehr schwer, weitere Details von Informanten zu erhalten.

 War ein Hausbrand im April in Wirklichkeit eine Selbstverbrennung?
Am 6. April waren laut regierungsoffiziellen Meldungen ein hochrangiger Mönch und seine Nichte beim Brand ihrer Unterkunft im Bezirk Dartsedo im Osten Tibets, heutige Provinz Sichuan, ums Leben gekommen. Der Brand sei durch unachtsames Hantieren mit Butterlampen anlässlich einer Zeremonie entstanden.

Laut einem ausführlichen Bericht von RFA handelte es sich aber um eine Selbstverbrennung. Sicherheitskräfte hätten den wahren Grund unter massiven Drohungen gegenüber Zeugen zu unterdrücken versucht. Als Beleg für die Selbstverbrennung führt RFA unter anderem Fotos an, die zeigen, dass nur ein kleiner Teil des Hauses verkohlte Holzbalken aufweist. Eine Flucht bei einem unabsichtlich entstandenen Feuer sei sehr einfach gewesen.

Der 45-jährige Tulku Athub und seine 23-jährige Nichte Atse hatten wenige Tage vor dem Brand alle Gläubigen um besonders grosszügige Spenden von Butter gebeten, da sie eine spezielle Zeremonie zu Ehren der bisherigen Opfer der Selbstverbrennungen abhalten wollten. Sie hätten sich dann am 6. April selbst angezündet.

Chinesische Arbeitsbrigaden und die Militärpolizei, die nach dem Brand in die Gegend entsandt wurden, hätten sowohl die Angehörigen als auch den Vorstand des benachbarten Klosters massiv unter Druck gesetzt, die Version eines Unfalls zu verbreiten. Falls dem nicht Folge geleistet würde, sollte das Kloster mitsamt eines angegliederten buddhistischen Instituts und einer Primarschule geschlossen werden. Die Angehörigen erhielten eine Geldsumme und einige Lebensmittel für ihre Verpflichtung zu schweigen.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD); Radio Free Asia RFA

 

17. Oktober 2012
Drei weitere Selbstverbrennungen
Zwischen dem 29. September und 13. Oktober verbrannten sich drei Tibeter selbst und starben.

Der 27-jährige Yungdrung zündete sich am 29. September in der Stadt Dzatoe im Norden Tibets an. Nach Berichten von Augenzeugen trug er dabei traditionelle tibetische Kleider und rief Parolen für die Freiheit Tibets, die Rückkehr des Dalai Lama, das Ende der Ausbeutung von Bodenschätzen und religiöse Freiheit.

Wenige Tage vorher hatten die Behörden in der Region wohnende Tibeter dazu gezwungen, bei Filmaufnahmen mitzumachen, die das Bild von glücklichen Tibetern zeichnen sollten. Möglicherweise haben die Unmutsbekundungen der Tibeter gegen die gestellten Aufnahmen zu Yungdrung’s Tat beigetragen. In der gleichen Stadt hatten sich am 20. Juni bereits zwei junge Tibeter verbrannt [vergl. Tibet-Information vom 21. Juni 2012; UM].

Am 6. Oktober setzte sich der 27-jährige Sangay Gyatso beim Kloster Dokar nahe der Stadt Tsoe im Nordwesten Tibets in Brand. Auch er rief Parolen für die Religionsfreiheit und Beibehaltung der tibetischen Sprache. Zahlreiche Tibeter kamen für die Totengebete in das Haus der Familie, nachdem die Leiche vom Kloster dorthin gebracht worden war. Sicherheitskräfte riegelten das Kloster Dokar ab, unterbrachen alle Kommunikationswege und unterzogen die Mönche intensiven Verhören, obwohl eine Mitwirkung der Mönche an der Selbstverbrennung nicht erkennbar war. Allerdings hatten die Mönche im Jahr 2008 an den Protesten gegen die chinesische Herrschaft teilgenommen. Sangay Gyatso war Vater von zwei Kindern und betrieb in Tsoe ein Geschäft.

Nur eine Woche später verbrannte sich ebenfalls in Tsoe auf dem Gelände des örtlichen Klosters der 54-jährige Tamdin Dorjee. Wiederum marschierten Sicherheitskräfte auf und unterbrachen alle Kommunikationswege zum Kloster. Tamdin Dorjee ist Grossvater des 7. Gungthang Jampal Yang, der eine bedeutende religiöse Persönlichkeit im Kloster Labrang, einem der grössten Klöster Tibets, ist. Am gleichen Ort wie Tamdin Dorjee hatte sich am 7. August eine Mutter zweier Kinder selbst verbrannt [vergl. Tibet-Information vom 9. August 2012; UM].

Töteten Sicherheitskräfte einen Tibeter der seine Selbstverbrennung geplant hatte?
Phayul berichtet über den mysteriösen Tod eines 57-jährigen Tibeters namens Dorjee Rabten, der in einem Gästehaus in Xining, der Hauptstadt der Provinz Qinghai, tot aufgefunden wurde.

Eine Woche zuvor war Dorjee Rabten in einem anderen Gästehaus im nordosttibetischen Chentsa festgenommen worden. Offenbar hatten Sicherheitskräfte vorher beobachtet, wie er eine grosse Menge Kerosin kaufte. Dorjee Rabten wurde im Haus seines jüngeren Bruders unter Hausarrest gestellt, das dann mehrere Male täglich von Offiziellen aufgesucht und kontrolliert wurde. Wegen der starken psychischen Belastung durch die ständigen Kontrollen sei er nach Xining gereist, um sich medizinisch betreuten zu lassen.

Kurz nach Ankunft in Xining kam er unter nicht bekannten Umständen ums Leben. Informanten von Phayul beschuldigen die Sicherheitskräfte, sie hätten ihn ermordet. Sein ältester Sohn erhielt einen Anruf, er solle allein nach Xining kommen und die Leiche abholen, aber es wurde ihm lediglich die Urne mit seiner Asche überreicht.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Phayul

 

13. September 2012
Zwei weitere Selbstverbrennungen
Am 27. August zündeten sich zwei Tibeter in der Nähe des Osttores des Klosters Kirti, dem Zentrum der Serie von Selbstverbrennungen, an und starben noch am gleichen Tag. Damit erhöht sich die Zahl der Selbstverbrennungen seit Beginn der Serie auf 51.

Lobsang Kalsang, 18 Jahre und Mönch im Kloster Kirti, und sein Cousin Lobsang Damchoe, 17 Jahre und ehemaliger Mönch von Kirti, liefen Slogans rufend noch etwa 20 Meter weit, bevor sie zusammenbrachen. Beide wurden in ein Spital gebracht, wo sie starben. Es ist nicht bekannt, ob die Leichname den Familien übergeben wurden.

Lobsang Damchoe war der jüngere Bruder der Nonne Tenzin Choedron, die sich im Februar selbst verbrannt hatte [vergl. Tibet-Information vom 13. Februar 2012; UM].

Ganzkörper-Scanner in Lhasa, Restriktionen für Touristen
Nach Berichten von mehreren Informanten von RFA haben die Behörden in Lhasa die Zahl der Kontrollpunkte in der Stadt erhöht und setzen dort Ganzkörperscanner ein, wie sie sonst auf Flughäfen verwendet werden. Besonders gross ist die Zahl von Posten mit Scannern um den zentralen Barkhor-Platz, an der Pilgerroute um den Jokhang-Tempel und am Potala-Palast. An allen Posten sind jeweils zehn oder mehr Polizisten stationiert, die mit Gewehren, Schlagstöcken und Feuerlöschern ausgerüstet sind. Die ständigen Kontrollen treffen nicht nur Tibeter, sondern auch Chinesen.

Auch wurde der Zugang nach Lhasa aus den umgebenden Dörfern erheblich erschwert. Tibeter, die von ausserhalb kommen, dürfen zwei Brücken nicht mehr benutzen und werden an den wenigen offenen Zugängen ebenfalls kontrolliert. Diejenigen, die von ausserhalb der „Autonomen Region Tibet“ kommen, werden an ihre Heimatorte ausgeschafft, sofern sie nicht eine Aufenthaltsbewilligung für Lhasa vorweisen können.

Der gesamte Telefonverkehr zwischen Lhasa und dem Ausland wird nach Angaben von Informanten inzwischen überwacht. Alle Anrufe aus dem Ausland würden in der Polizeizentrale registriert.

Die Zahl der Bewilligungen für ausländische Touristen wurde reduziert. Reisende müssen vorab eine Genehmigung bei der chinesischen Botschaft ihres Heimatlandes oder beim Tibetischen Reisebüro in Beijing beantragen und vom Reisebüro gestellte Guides und Fahrer nehmen. Die Minimalzahl für Gruppen beträgt jetzt 6 Personen gleicher Nationalität. Bisher hatten sich oft Einzelreisende ad-hoc zu einer „Gruppe“ zusammengeschlossen und erhielten so die gewünschte Bewilligung, was nun erheblich schwerer wird.

Massenverhaftungen im Bezirk Driru
Laut RFA sind im nördlich von Lhasa gelegenen Bezirk Driru seit März über 1‘000 Tibeter festgenommen worden, die sich in vielfältiger Weise für die tibetische Kultur und Identität eingesetzt haben. Die blutige Niederschlagung der Proteste im Frühjahr 2008 hatte überall in Tibet eine gewaltlose Bewegung ins Leben gerufen, die sich auf die tibetische Identität zurück besinnt. Unter dem Begriff Lhakar (wörtlich „Weisser Mittwoch“) initiierte die nur lose organisierte Bewegung in Tibet, später aber auch im Exil, Gesprächskreise und Aktionen, mit denen in vielfältger Weise an die tibetische Identität erinnert wird. Jeden Mittwoch soll nur tibetisch gesprochen, tibetische Kleidung getragen, tibetisches Essen konsumiert und bei Tibetern eingekauft werden.

Eine weitere Bewegung mit dem Namen „Gesellschaft der weissen Diät“ verzichtet an buddhistischen Feiertagen und jeden Mittwoch auf den Verzehr von Fleisch und ruft stattdessen zum Konsum von Milchprodukten auf.

In Driru, wo sich im März d.J. mehrere grosse Demonstrationen ereignet hatten, wurden darauf über 1'000 Personen, vor allem jüngere Tibeter aus wohlhabenden Familien, verhaftet. Manche wurden nach wenige Stunden oder Tagen wieder entlassen, andere sind noch immer in Haft.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Der Spiegel

 

21. August 2012
Tibeter bei Protestaktion erschossen
Am 15. August erschossen Sicherheitskräfte einen Tibeter und verhafteten sechs weitere, als etwa 1‘000 Demonstranten gegen die Wiederaufnahme der Arbeiten in einem Bergwerk protestierten. Die Tibeter hatten sich in der Ortschaft Choeten in der Autonomen Region Markham versammelt, weil die im Frühjahr suspendierten Arbeiten wieder aufgenommen worden waren.

Die Sicherheitskräfte hatten Tränengas und auch scharfe Munition gegen die Protestierenden eingesetzt. Ein Augenzeuge gab an, dass der später getötete Tibeter namens Tashi von Einsatzkräften umringt war, ohne dass ihm jemand beistehen konnte, bevor der tödliche Schuss fiel.

Der Protest richtete sich gegen eine chinesische Bergwerksfirma, die im Frühjahr nach Protesten von Tibetern ihre Operationen suspendiert hatte. Der Zusicherung Firmenleitung, dass auf die Umwelt Rücksicht genommen würde, schenkten die Anwohner keinen Glauben. In der Meldung von RFA wird nicht erwähnt, was in dem Bergwerk gefördert werden soll. Auch gibt es keine exakten Angaben über die Rechtsform der Bergwerksfirma. Während Mitarbeiter der Firma angaben, es handele sich um eine staatliche Gesellschaft, sprechen die Anwohner davon, dass es sich um eine private Firma handelt, die unter Aufsicht der lokalen Behörden operiert.

Protestaktion gegen Polizeieinsatz
Nur einen Tag später ereignete sich nach Informationen von Free Tibet Campaign ein weiterer grosser Protest in der Stadt Rongwo im Bezirk Rebkong.

Zeugen hatten Polizeikräfte dabei beobachtet, wie sie ein Auto in der Nähe von Rongwo mit vier tibetischen Insassen stoppten. Zwei der Tibeter seien aus dem Auto gezerrt, geschlagen und mit Schusswaffen bedroht worden. Es ist nicht bekannt, was ihnen vorgeworfen wurde und was später mit ihnen geschah.

Als der Vorfall in Rongwo bekannt wurde, zogen zunächst etwa 400 Tibeter zum Gebäude der Öffentlichen Sicherheit, um gegen die Brutalität des Einsatzes zu protestieren. Der Protestzug schwoll später auf etwa 1‘000 Tibeter an, die durch den Ort zogen und vor mehreren Regierungsgebäuden Halt machten. Offenbar unternahmen die Sicherheitkräfte keinen Versuch, die Demonstration aufzulösen.

Reiterfestival in Machu unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen
Das alljährlich im August stattfindende Festival im nordtibetischen Machu, das in der Vergangenheit auch ausländische Touristen anzog, findet dieses Mal unter scharfen Auflagen und Sicherheitsvorkehrungen statt, um Proteste zu verhindern. Mehrere hundert Kräfte der Bewaffneten Volkspolizei wurden am Ort zusammengezogen. Dazu veröffentlichten die Behörden ein Dekret mit 11 Punkten, die unter Strafandrohung von den Festivalbesuchern beachtet werden müssen. Verboten sind unter anderem „Demonstrationen, Proteste, Appelle, Selbstbeschädigungen, Selbstmord, und Selbstanzündungen“. Niemand darf ohne vorherige Genehmigung Dokumente mitbringen, die sich mit „politischen, religiösen, kulturellen oder wirtschaftlichen Angelegenheiten“ befassen. Auch sind Gegenstände wie „Feuerwerkskörper, brennbare Flüssigkeiten, Pfeil und Bogen, Schwerter, andere Gegenstände aus Metall und toxische Substanzen“ verboten.

Am 1. August 2007 hatte der damals 53-jährige Runggye Adak, Vater von 11 Kindern und ein in der Region für sein soziales Engagement hoch angesehener Nomade, sich während des eines Reiterfestivals in Lithang des Mikrofons bemächtigt und unter dem Beifall der Anwesenden die Rückkehr des Dalai Lama, Religionsfreiheit und die Entlassung politischer Gefangener gefordert [vergl. Tibet-Information vom 7. August und 22. September 2007; UM]. Runggye Adak ist noch heute in Haft.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Free Tibet Campaign; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

15. August 2012
Drei weitere Selbstverbrennungen – Demonstrant zu Tode geprügelt
Am 12. August setzte sich der 24-jährige Choepa in Brand und starb noch am gleichen Tag. Einen Tag später zündeten sich der 21-jährige Tashi und der 20-jährige Lungtok an. Tashi starb, über den Zustand von Lungtok ist nicht bekannt. Als sich Tibeter nach den Selbstverbrennungen vom 13. August zum Protest versammelten, wurde nach unbestätigten Angaben ein Demonstrant von Sicherheitskräften zu Tode geprügelt.

Choepa setzte sich am 12. August in der Nomadensiedlung Meruma, 27 km östlich der Stadt Ngaba, in Brand. Er soll noch während des Abtransports durch Sicherheitskräfte gestorben sein. Diese verweigerten der Familie eine traditionelle Bestattung; stattdessen wurde Choepa seitens der Behörden sofort kremiert und die Urne der Familie ausgehändigt.

Choepa war Teilnehmer der blutig niedergeschlagenen Demonstration in dieser Region am 23. Januar [vergl. Tibet- Information vom 23. Januar 2012; UM], bei denen mindestens zwei, möglicherweise aber bis zu sechs Tibeter getötet wurden. Seitdem war er auf der Flucht und konnte trotz Fahndung nicht gefasst werden. Choepa hinterlässt neben seinen Eltern noch 4 Geschwister.
Seit dem Vorfall ist die Ortschaft Meruma von Sicherheitskräften abgeriegelt.

Tashi und Lungtok setzten sich am 13. August nahe der wegen der vielen Selbstverbrennungen nun „Heldenstrasse“ genannten Hauptstrasse von Ngaba in Flammen. Beide konnten noch einige Schritte auf der „Heldenstrasse“ machen. Augenzeugen sahen, wie dann Tashi von Sicherheitskräften getreten und geschlagen wurde, während sie versuchten, die Flammen zu löschen. Beide wurden sofort abtransportiert. Tashi soll am gleichen Tage verstorben sein, über den Zustand von Lungtok ist nichts bekannt.

Kurz darauf versammelte sich Tibeter aus Protest am Ort der Selbstverbrennung. Sicherheitskräfte haben nach Angaben von Informanten sofort mit Metallstangen und nägelbesetzten Keulen auf die Demonstranten eingeschlagen.

Offenbar wurden viele Tibeter verletzt. Augenzeugen sahen mehrere Ambulanzen, die Verletzte wegfuhren. Nach unbestätigten Angaben soll ein schwer verletzter Tibeter inzwischen gestorben sein. Auch wurde eine nicht näher bekannte Zahl von Demonstranten verhaftet.

Lungtok, der als Mönch die Medizinschule des Klosters Kirti besuchte, hatte nach Angaben von Freunden noch am Tag vorher Opfergaben dargebracht; er spendete 1 Yuan für jeden, der als Folge der Selbstverbrennungen starb. Tashi war in der gleichen Medizinschule, hatte jedoch Kloster und Schule im letzten Jahr aus unbekannten Gründen verlassen.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia RFA; Der Spiegel; Neue Zürcher Zeitung

 

9. August 2012 (2)
China verstärkt Propaganda und Überwachung in Tibet
Mehrere Äusserungen hoch gestellter Kader und Funktionäre in den beiden letzten Monaten lassen vermuten, dass China Propaganda und Überwachung in Tibet verstärken will. Immer wieder wurde die Stärkung der „nationalen Stabilität“ und „ethnischen Eintracht“ beschworen.

Der Vorsitzende der KP Chinas in Tibet, Chen Quanguo, kündigte auf der Sitzung des Zentralkommittees der Partei am 27. Juni drastische Massnahmen zur Informationskontrolle an. Diese Massnahmen bedeuten vor allem eine schärfere Kontrolle des Internets, der Mobiltelefonie einschliesslich Textnachrichten und eine Verstärkung der Propaganda mittels neuer Fernsehkanäle, neuen Empfängern für das Satellitenfernsehen, Filmvorführungen, lokalen Schulungen und Verteilung von Propagandaschriften in den Dörfern. Es müsse sichergestellt sein, dass „die Stimme der Partei überall auf den 1.2 Millionen Quadratkilometern des Territoriums [von Tibet; UM]“ gehört werde, so dass „Sprache und Bilder feindlicher Kräfte und der Dalai-Clique nirgendwo mehr gehört oder gesehen werden“. Das Eindringen von Informationen von „feindlichen Kräften“ im Ausland, speziell Radio Free Asia und Voice of America, müsse verhindert werden.

Eine ad-hoc-Umfrage von Gallup bei 117 tibetischen Pilgern, die im Dezember 2011 und Januar 2012 nach Indien kamen, ergab, dass 89% den offiziellen chinesischen Medien nicht trauen; die Fernsehkanäle seien nur zur Unterhaltung gut.

Für den Gebrauch des Internets sind schon deutliche Restriktionen in Kraft. Alle Internet-Cafes in Lhasa müssen neue Kartenleser installieren, die in der Lage sind, die neuen Identitätskarten (chin. Shen Feng Teng) zu lesen. Die neuen Identitätskarten enthalten wesentlich mehr persönliche Informationen über den Inhaber als die alten. Jugendliche unter 18 Jahren erhalten gar keinen Zugang mehr zu den Internet-Cafes.

Auf einem Seminar in Lhasa am 11. Juli hob der Propaganda-Leiter der KP Chinas in Tibet, Dong Yunhu, die Wichtigkeit des Schutzes von Staatsgeheimnissen hervor. Tibet stehe an „vorderster Front“ im Kampf gegen „Separatismus“. Es sei wichtig, das Bewusstsein für Geheimhaltung und die Disziplin in der Wahrung von Staatsgeheimnissen zu stärken, da Tibet verstärkt zum Ziel von separatistischen Kräften im In- und Ausland geworden sei. „Feindliche Kräfte und ausländische Geheimdienste“ würden sich bemühen, vertrauliche Informationen zu entwenden. „Nationale und kulturelle Stabilität“ seien die wichtigsten Ziele für Tibet.

Nur wenige Tage später besuchte der Leiter der Propaganda-Abteilung der KP Chinas, Li Changchun, ländliche Gebiete und sprach mit lokalen Kadern und Funktionären. Dabei forderte er sie auf, die „ethnische Eintracht“ zu stärken. Alle müssten in der Propaganda-Arbeit die „Fünf Guten Dinge“ hervorheben: die Kommunistische Partei, den Sozialismus, die Nationalitäten, die Entwicklung, und das chinesische Mutterland. Der Ausbau des Radio- und Fernseh-Empfangs in entlegenen Regionen werde den Aufbau eines gemeinsamen kulturellen Systems für alle ethnischen Gruppen beschleunigen.

Am Ende seines Besuches lobte Li bei seinem Besuch im Jokhang-Tempel von Lhasa die Implementierung von „Modellklöstern“ [vergl. Tibet-Information vom 3. November 2011 und 25. April 2012; UM] als Langzeit-Massnahme, damit sich der tibetische Buddhismus an die sozialistische Gesellschaft anpasst.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; dossiertibet.it

 

9. August 2012 (1)
Zwei Selbstverbrennungen in Tibet
Am 6. und 7. August setzten sich wiederum zwei Tibeter in Flammen und starben.

Am 6. August zündete sich der 21 Jahre alte Mönch des Kirti-Klosters, Lobsang Tsultrum [andere Schreibweise des Namens: Tsultrim; UM] auf einer Strasse nahe des Klosters Kirti an und starb später am Abend des gleichen Tages. Das Kloster Kirti ist das Zentrum dieser Proteste gegen China. Die Strasse, auf der er sich in Flammen setzte, wird von den Bewohnern „Heldenstrasse“ genannt, seit sich viele der Selbstverbrennungen dort ereigneten. Auch Lobsang Tsultrum rief, wie viele andere Protestierende vor ihm, Parolen für die Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet.

Sicherheitskräfte, die entlang der Strasse stationiert waren, löschten die Flammen und transportierten ihn ab. Er soll am gleichen Tag im Spital verstorben sein. Am Tag darauf übergaben die Behörden der Familie die Urne mit der Asche des Mönches. Lobsang Tsultrum war auf Veranlassung der Behörden sofort kremiert worden, so dass die Familie nicht die Gelegenheit zu ihren Totenritualen hatte.

Lobsang Tsultrum trat als Jugendlicher in das Kloster Kirti ein und war ein Freund von Phuntsok, der die Serie der Selbstverbrennungen am 17. März 2011 begonnen hatte [vergl. Tibet- Information vom 21. März 2011; UM]. Auch gehörte er zu denjenigen Mönchen, die bei Ausbruch der Proteste im März 2008 festgenommen und misshandelt worden war.

Am 7. August setzte sich die 26 Jahre alte Dolkar Tso [andere Schreibweise des Namens: Dolker; UM] auf dem Gelände des Klosters Tsoe Gaden Choeling im Nordosten Tibets, heutige chinesische Provinz Gansu, in Brand und starb ebenfalls noch am gleichen Tag.

Tibetische Pilger, die sich auf dem Klosterareal befanden, wollten zur Hilfe eilen, aber Dolkar Tso soll diese verweigert haben. Sie habe Parolen für die Freiheit Tibets und die Rückkehr des Dalai Lama gerufen. Auch als das Feuer gelöscht war, lebte sie noch und verlangte von den beistehenden Tibetern, sie zu töten, weil sie nicht lebendig in die Hände der Sicherheitskräfte fallen wollte.

Auf Verlangen der Angehörigen wurde sie in ihr Heimatdorf gebracht, starb jedoch auf dem Wege dorthin. Einer anderen Quelle zufolge wurde sie zunächst in ein lokales Spital gebracht, bevor man sie nach Hause transportierte. Dolkar Tso hinterlässt eine 5-jährige Tochter und einen 2-jährigen Sohn.

Die offizielle chinesische Nachrichtenagentur Xinhua bestätigte den Vorfall, gab jedoch an, Dolkar Tso habe sich nach einem Disput mit ihrem Mann angezündet. Informanten von TCHRD widersprachen dieser Darstellung. Ihnen zufolge habe die Familie ohne jegliche Zeichen von Streit am Tag vor der Selbstverbrennung gemeinsam das Kloster besucht und gebetet.

Das Kloster Tso Gaden Choeling war im Jahre 2008 ebenfalls Schauplatz von Protesten.

Strafverfolgung der Eltern eines Verbrennungsopfers
Am 30. Juli starb in einem Spital in der Region Ngaba der 22-jährige Ngawang Norphel, der sich am 20. Juni in Flammen gesetzt hatte [vergl. Tibet- Information vom 21. Juni 2012; UM]. Aufgrund der strengen Abschottung von ihm im Spital erfuhr seine Familie über einen Monat lang nichts von der Selbstverbrennung, bis sein Vater von der Polizei ohne Angabe von Gründen in das Spital zitiert wurde. Erst dort erfuhr er über den Grund des Besuches. Die Sicherheitskräfte befahlen ihm unter Androhung von „ernsten Folgen“, niemandem etwas über die Selbstverbrennung zu erzählen.

Bis zu seinem Tode hatte Ngawang Norphel bei allen Verhören durch Sicherheitskräfte geschwiegen, die immer wieder stattfanden, so lange es sein Zustand erlaubte. Während sein Vater weiter in Amdo verhört wird, finden auch für die übrigen Familienmitglieder am Heimatort Verhöre statt.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia RFA

 

25. Juli 2012
Zwei Selbstverbrennungen in Tibet
Im Juli setzten sich wiederum zwei Tibeter in Flammen und starben.

Am 7. Juli zündete sich der 22 Jahre alte Tsewang Dorjee im Zentrum des Ortes Damshung, nördlich von Lhasa, an und starb später am Abend des gleichen Tages. Nachdem er sich in Flammen setzte, ging er noch mehrere Schritte weiter und rief Parolen für ein langes Leben des Dalai Lama. Seit der Selbstverbrennung ist Damshung durch Militär praktisch von der Aussenwelt abgeschnitten. Auch sind alle Telefonleitungen gekappt. Alle Zeugen des Vorfalls wurden verhaftet, und den Bewohnern ist es verboten, darüber zu reden.

Am 17. Juli zündete sich der 18 Jahre alte Mönch Lobsang Tenzin aus dem Kloster Gyalrong Tsodun Kirti in der Region Ngaba auf dem Platz vor der Gebetshalle des Klosters an. Nachdem er wenige Schritte hin zum lokalen Regierungsgebäude gemacht hatte und Parolen rief, stürzte er zu Boden (Foto rechts) und verstarb kurz darauf. Insgesamt haben sich allein in der Region Ngaba 26 Tibeter verbrannt; Lobsang Tenzin ist der dritte Mönch aus diesem Kloster. Er soll ein besonders begabter Schüler mit herausragenden Leistungen gewesen sein.

Mönche trugen den Leichnam in das Kloster und verweigerten den Sicherheitskräften den Zugang, während Totenrituale abgehalten wurden. Auch am Tag danach wurden Rituale abgehalten, und alle Geschäfte und Restaurants im Ort blieben geschlossen.

Angesichts der gespannten Lage zwischen den Mönchen und Einwohnern einerseits und Sicherheitskräften andererseits entschieden sich die Mönche, statt der Kremation eine Wasserbestattung durchzuführen. Während diese an einem Fluss abgehalten wurde, sah man am anderen Ufer die Sicherheitskräfte, wie sie Kampfübungen abhielten.

Situation in Tibet wurde im UN-Menschenrechtsrat zum Thema
Während der 20. Session des UN-Menschenrechtsrates in Genf brachten unter Traktandum 4 („Menschenrechtsprobleme, die der Aufmerksamkeit des Rates bedürfen“) mehrere Mitgliedsstaaten die dramatische Situation in Tibet zur Sprache. Die Abgesandten von Belgien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Schweden und den USA trugen zahreiche Aspekte der Unterdrückung der Religion und Meinungsfreiheit vor, darunter auch die Serie der Selbstverbrennungen.

Die Delegationen Schwedens und Dänemarks forderten China auf, die Rechte aller ethnischen Gruppen, speziell der Tibeter und Uiguren in Xinjiang, vollumfänglich zu garantieren; speziell das Recht zur Meinungsäusserung, Versammlungsfreiheit und Freiheit der Religion, und das Recht auf Bewahrung ihrer eigene Kultur und Sprache.

Die Tschechische Republik forderte, dass alle Regionen in Tibet ohne Einschränkungen für Menschenrechtsbeobachter zugänglich gemacht werden.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; tibetpost.net; International Campaign for Tibet ICT

 

21. Juni 2012
Wiederum drei Selbstverbrennungen in Tibet
Ein etwa 50-jähriger Nomade, dessen Name mit Tamding Thar angegeben wird, hat sich am Morgen des 15. Juni direkt vor einem Lager der Bewaffneten Volkspolizei (People’s Armed Police, PAP) in der im Norden Tibets gelegenen Autonomen Präfektur Malho (chin. Huangnan) in Brand gesetzt. Sofort erschienen Polizisten, die die Flammen löschten und seinen Körper forttrugen. Kurz darauf versammelten sich etwa 400 bis 500 Tibeter vor dem Lager und verlangten die Herausgabe seines Leichnams. Dieser wurde nach einigen Stunden übergegeben und zur Beisetzung an seinen Wohnort gebracht, wo sich mehrere tausend Tibeter und Mönche aus den nahe gelegenen Klöstern für die letzten Riten versammelten. Tamding Thar hinterlässt Frau und Kinder. Er stammt aus einer Nomadenfamilie und wurde vor einigen Jahren im Rahmen der Sesshaftmachung von Nomaden gezwungen, sich in der Region fest niederzulassen.

Die Ortschaft Chentsa, wo sich die Selbstverbrennung ereignete, wird nun von Sicherheitskräften scharf kontrolliert.

Am 20. Juni setzten sich zwei junge Tibeter, der 22-jährige Ngawang Norpel und der 24-jährige Tenzin Khedup, in der osttibetischen Präfektur Jyekundo (chin. Yushu) in Brand. Nach Berichten von Augenzeugen sollen beide tibetische Fahnen in der Hand gehalten und Slogans für die Freiheit Tibets und die Rückkehr des Dalai Lama gerufen haben.

Tenzin Khedup starb sofort. Er war Mönch, trat aber 2006 aus seinem Kloster aus. Über den Zustand von Ngawang Norpel ist nichts bekannt.

Dorfbewohner wegen Protests gegen Korruption verurteilt
Am 14. April hatten Bewohner des Dorfes Adhue gegen die Auszeichnung zweier als korrupt geltender Kader protestiert. Sie warfen den Kadern vor, Zuschüsse für den Bau von Wohnungen im Dorf in die eigene Tasche gesteckt zu haben, und kassierten dafür Schläge von den Sicherheitskräften, die die beschuldigten Kader und Regierungsbeamten im Konvoi begleitet hatten. Mehrere Tibeter wurden verhaftet. Am 1. Mai veranstalteten Dorfbewohnerinnen einen Protestmarsch gegen die andauernde Inhaftierung, und als Zeichen des Protests wurden auch keine Felder mehr bestellt [vergl. Tibet-Information vom 25. April und 12. Mai 2012; UM].

Inzwischen sind zwar die meisten Verhafteten wieder freigelassen, jedoch wurde jetzt bekannt, dass zwei Tibeter zu Haftstrafen von 3 bzw. 2 Jahren verurteilt wurden. Der Grund für die Verurteilung ist nicht bekannt. Es wird angenommen, dass sie angeklagt wurden, nachdem sie sich geweigert hatten, in die kleinen Behausungen im Dorf einzuziehen. Obwohl ihnen vorab mitgeteilt worden war, dass die Häuser von der Regierung gestellt würden, verlangte man ihnen später einen hohen Geldbetrag plus Zinsen als Eigenleistung ab, den sie nicht zahlen konnten.

Tibetische Lehrer ihres Amtes enthoben
Im nordtibetischen Bezirk Rebkong sind drei Pädagogen ihres Amtes enthoben worden. Obwohl die Gründe nicht bekannt sind, wird vermutet, dass sie mit den Protesten gegen die Einführung des Chinesischen als alleiniger Unterrichtssprache in Verbindung stehen. Bereits im Herbst 2010 hatten sich dort massive Proteste ereignet [vergl. Tibet-Information vom 21. -29. Oktober 2010; UM].

Laut Informanten von RFA ereignete sich im März d.J. ein neuer Protest, weil während den Ferien durch die Behörden alle tibetischen Schulbücher gegen chinesische ausgetauscht worden waren. Die Schüler hätten aus Protest die Bücher zerrissen und aus den Fenstern geworfen.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Phayul http://www.tibet.net/; Radio Free Asia RFA; Tibet.net

 

14. Juni 2012
Einreiseverbot für Ausländer
Zehn Tage nach der Selbstverbrennung zweier Jugendlicher in Lhasa [vergl. Tibet-Information vom 29. Mai 2012; UM] haben die Behörden ein Einreiseverbot für Ausländer nach Tibet erlassen. Das Verbot wurde – wie schon früher – nicht in den Medien publiziert, sondern Reiseveranstaltern direkt mitgeteilt. Weder wurde der Grund mitgeteilt, noch wurden Reiseveranstalter darüber informiert, wie lange dieses Verbot gelten wird.

Vermutlich steht das Verbot in einer schon lange praktizierten Tradition, Tibet während „sensibler“ Daten und nach aussergewöhnlichen Ereignissen von der Aussenwelt abzuriegeln. Das jetzt erlassene Verbot fiel in den Monat Mai, in dem das Sagadawa-Fest, erinnernd an die Erleuchtung und den Eingang Buddhas in das Nirwana, gefeiert wird.

Ein Einreiseverbot war bereits für sechs Wochen im Februar und März d.J. erlassen worden, nämlich während des Tibetischen Neujahrsfestes und des Jahrestages des Volksaufstandes. Auch im Juni vorigen Jahres war Tibet während der mit grossem Pomp organisierten Feiern zum 90. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei bereits für Ausländer geschlossen [vergl. Tibet-Information vom 28. Juni 2011; UM].

Ironischerweise meldete das regierungsoffizielle „China Internet Information Center“ am 7. Juni 2012, also einen Tag vor Erlass des Einreisverbots für Ausländer, noch folgendes: „Tibets Tourismusgeschäft läuft rund

Das Autonome Gebiet Tibet wird von immer mehr Touristen besucht. Allein im Monat Mai reisten 900.000 Personen auf das Dach der Welt....“

Sondergesandte des Dalai Lama zurückgetreten
Die beiden Sondergesandten, Lody Gyari und Kelsang Gyaltsen, haben gegenüber der Tibetischen Regierung im Exil ihren Rücktritt eingereicht, der auch angenommen wurde.

Die beiden Sondergesandten hatten seit 2002 insgesamt 9 Dialogrunden mit Vertretern der Regierung der Volksrepublik China, zuletzt im Januar 2010. Ihren Rücktritt begründeten sie damit, dass ihre Tätigkeit nicht zu messbaren Erfolgen geführt hat; im Gegenteil, die Situation in Tibet habe sich seit dem Aufstand im März 2008 drastisch verschlimmert. Auch verliehen sie ihrer Enttäuschung Ausdruck, dass die chinesische Regierung keine konstruktive Reaktion zum Memorandum über die Genuine Autonomie Tibets gezeigt hat, das im Jahre 2008 mit einer Ergänzung im Jahre 2010 überreicht worden war. Einer ihrer chinesischen Dialogpartner habe sogar die Meinung vertreten, der Autonomiestatus sollte gänzlich aus der chinesischen Verfassung gestrichen werden.

Die Tibetische Regierung im Exil teilte mit, sie werde ihre Taskforce für den Dialog verstärken und im Dezember neu beraten, wenn die neue chinesische Führungsspitze im Amt ist.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Phayul; Radio Free Asia

 

5. Juni 2012
Mutter von drei Kindern verbrennt sich
Nur 3 Tage nach der doppelten Selbstverbrennung zündete sich die 36-jährige Rikyo im Bezirk Dzamthang in der Provinz Ngaba an, wo sich bisher die meisten Selbstverbrennungen ereigneten. Sie starb noch am dem Ort, wo sie sich angezündet hatte.

Rikyo hinterlässt drei Kinder im Alter von 9, 7 und 5 Jahren. Sie arbeitete als Viehhirtin und war Nachbarin von drei Tibetern, die sich im Februar und April selbst verbrannten [vergl. Tibet-Information vom 20. Februar und 25. April 2012; UM]. Am Tag vor der Verbrennung soll sie mehrere Stunden lang Niederwerfungen und Gebete verrichtet haben. Ihr verbrannter Körper wurde in das nahe gelegene Kloster Zamthang Gongchen gebracht, wo sich etwa 1000 Mönche versammelten und Gebete sprachen.

Die Behörden verlangten die Herausgabe und sofortige Kremation. Die Mönche gaben die Leiche nicht heraus, äscherten sie aber selbst noch in der Nacht im Kloster ein. Bis in die frühen Morgenstunden soll die auf 5000 Personen angewachsene Menge noch Gebete für Rikyo verrichtet haben.

Polizeikontrollen und Massenverhaftungen in Lhasa
Nach der zweifachen Selbstverbrennung in Lhasa [vergl. Tibet-Information vom 29. Mai 2012; UM] wurde das Sicherheitsaufgebot um den Jokhang-Tempel, wo sich die beiden Tibeter verbrannt hatten, erheblich verstärkt. An zahlreichen Kontrollposten werden Tibeter intensiv kontrolliert. Die von Tibetern bewohnten Quartiere von Lhasa sind von Sicherheitskräften abgeriegelt. Gästehäuser und von Auswärtigen angemietete Unterkünfte werden systematisch durchsucht.

Wegen der zahlreichen Überwachungskameras, die nach den Unruhen im Jahre 2008 überall angebracht worden waren, konnten viele Zeugen der Selbstverbrennungen, die sich gerade am Ort aufhielten, identifiziert werden. Diese wurden genauso zur Vernehmungen verhaftet wie die Besitzer der Verkaufsstände, die auf dem Platz vor dem Jokhang liegen. Auch wurden alle Mobiltelefone und Kameras von Tibetern konfisziert, die sich während der Selbstverbrennungen dort aufhielten.

Insgesamt sollen mehrere hundert Tibeter verhaftet worden sein. Radio Free Asia schätzt die Zahl auf 600 Personen.

Diejenigen Tibeter, die sich ohne gültige Aufenthaltsbewilligung in Lhasa aufhalten, werden ausgeschafft. Tibeter mit einer gültigen Bewilligung, die aus den östlichen Provinzen Kham und Amdo stammen, in denen der Widerstand besonders stark ist, fürchten, dass diese entzogen werden könnte und sie ebenfalls Lhasa verlassen müssen.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Phayul; Radio Free Asia

 

29. Mai 2012
Zweifache Selbstverbrennung – erstmals in Lhasa
Am 27. Mai kam es erstmals zu einer Selbstverbrennung in Lhasa. Zwei Tibeter, deren Namen mit Dargye aus der Region Ngaba, und Tobgye Tseten(laut Phayul: Dorje Tseten) von Labrang in der heutigen chinesischen Provinz Gansu, angegeben werden, zündeten sich vor dem Jokhang-Tempel an. Dieser ist einer der ältesten und bedeutendsten Tempel Tibets und gleichzeitig auch eine der wichtigsten Touristenattraktionen in Lhasa. Die Selbstverbrennungen wurden auch von der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua bestätigt. Xinhua machte keine Altersangaben über die beiden Tibeter. Nach Informationen von TCHRD sollen die beiden Tibeter 19 und 22 Jahre alt sein. Phayul nennt 25 Jahre, nicht 22 Jahre, als Alter von Dargye.

Laut Phayul hatten beide Tibeter ein Zimmer in der Nähe des Jokhang gemietet und arbeiteten in einem Restaurant. Kurz nachdem sie sich auf dem Platz vor dem Jokhang-Tempel inmitten von Pilgern anzündeten, eilten Sicherheitskräfte herbei, die das Feuer löschten, alle Touristen vertrieben und beide sofort abtransportierten. Es ist nicht bekannt, ob sie noch am Leben sind. Xinhua hat berichtet, dass einer der beiden starb. Der Platz vor dem Jokhang war bereits 15 Minuten nach dem Vorfall von allen Brandspuren gereinigt. Der Besitzer und das Personal des Restaurants, in dem die Tibeter arbeiteten, wurden festgenommen.

Die Telefonleitungen nach Lhasa waren am 27. Mai stillgelegt und funktionierten erst wieder einen Tag später. Der Jokhang-Tempel ist von Sicherheitskräften seitdem komplett abgeriegelt, und weder Pilgern noch Touristen ist der Zugang möglich. Überall in Lhasa werden strenge Personenkontrollen durchgeführt.

Die Selbstverbrennungen ereigneten sich im heiligen Monat Saga Dawa, in dem der Erleuchtung und des Todes von Buddha gedacht wird.

Damit haben sich bis jetzt insgesamt 37 Tibeter angezündet.

Verbot religiöser Aktivitäten für tibetische Kader
Regierungsbehörden haben ein striktes Verbot religiöser Aktivitäten für Kader ausgesprochen. Das „Komitee für disziplinarische Untersuchungen“ der Autonomen Region Tibet veröffentlichte am 24. Mai in der regierungsoffiziellen Zeitung Tibet Daily eine Direktive, die auch massive Strafen androht.

Wenn Parteimitglieder, Regierungsmitarbeiter oder sogar Studenten an religiösen Anlässen teilnehmen, sei das ein „schwerer Verstoss gegen die politische Disziplin“. Jede Vernachlässigung ihrer Pflichten würde schwer bestraft. Gleichgültig wieviele Verdienste sie bisher errungen hätten oder wie hoch ihre Position in Partei oder Regierung sei, fehlbare Kader würden auf der Stelle entlassen und dieses in allen Medien berichtet.

Bereits am 17. Mai hatte der Radiosender Xizangradio berichtet, dass im Bezirk Toelung Dechen nahe Lhasa 6 Regierungskader degradiert wurden, weil sie ihre Pflichten zur „Wahrung der Stabilität“ nicht wahrgenommen hätten.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Phayul; Radio Free Asia

 

25. Mai 2012
China intensiviert „Kampagne zur Rechtserziehung“
Auf einer Sitzung der Regierung der „Tibetischen Autonomen Region“ (TAR) am 11. Mai wurde laut der regierungsoffiziellen Internetseite ChinaTibetNews.com eine Intensivierung der Umerziehungskampagnen in Klöstern beschlossen. TAR-Gouverneur Pema Thinley wies in seiner Rede auf die schon erzielten Erfolge hin. Die Unterweisungen an Mönche und Nonnen, „das chinesische Mutterland zu lieben und stolz zu sein auf ihre nationale Identität“ hätten zur „Stabilisierung“ in der Region beigetragen. Auch hätten die Auszeichnungen an „Modellklöster“ [vergl. Tibet-Information vom 3. November 2011 und 25. April 2012; UM] den „Enthusiasmus“ der Mönche und Nonnen gefördert, „soziale Harmonie und Stabilität“ zu schaffen.

Der Begriff „Rechtserziehung“ wird in der letzten Zeit in offiziellen Verlautbarungen öfter verwendet anstelle der aggressiver tönenden „Patriotischen Umerziehung“, was aber die im Prinzip die gleiche Kampagne meint. Für Mönche und Nonnen bedeutet es, dass religiöse Unterweisungen häufig unterbleiben zugunsten von Versammlungen mit „Arbeitsteams“, die die „Umerziehung“ durchführen. Die Bewegungsfreiheit in den Klöstern ist massiv eingeschränkt. Alle Besuche ausserhalb des Klosters bedürfen der Genehmigung, manchmal ist es für Mönche und Nonnen sogar kaum noch möglich, Artikel des persönlichen Gebrauchs oder Lebensmittel zu kaufen.

Die im Oktober 2010 erlassenen Verfügungen für den Betrieb der Klöster [vergl. Tibet-Information vom 21. Oktober 2010; UM] verlangen, dass in allen Klöstern die chinesische Fahne und Portraits der chinesischen Führer ausgehängt und regierungsoffizielle Zeitschriften und Fernsehprogramme zugänglich gemacht werden müssen. Seit März 2012 werden die Verwaltungskommissionen der Klöster direkt von Partei und Regierung ernannt [vergl. Tibet-Information vom 19. März 2012; UM]. Obligatorisch ist in diese Kommission eine Parteizelle der Kommunistischen Partei eingebettet.

Zahlreiche neue Kontrollpunkte in Tibet
Überall in Tibet werden neue Polizei-Kontrollpunkte eingerichtet. Besonders zahlreich sind diese auf den Zufahrtsstrassen nach Lhasa, an denen speziell Pilger aus dem Osten Tibets – wo sich die meisten Proteste ereignen – scharf kontrolliert werden. Reisende müssen Identitätspapiere und Lebensmittelkarten vorweisen; wer sie nicht besitzt, wird zurückgeschickt. Allein im Stadtgebiet von Lhasa existieren nach Angaben von Bewohnern 130 dieser Kontrollstationen.

Einmal in Lhasa angekommen, müssen sich Reisende bei der Polizei anmelden und bei Abreise wieder abmelden. Sie dürfen nur maximal einen Monat in Lhasa bleiben und müssen einmal pro Woche auf der Polizeistation erscheinen. Auch müssen sie Namen und Adresse, manchmal sogar den Arbeitgeber, derjenigen angeben, bei denen sie in dieser Zeit wohnen.

Einschränkungen für Besucher von Häflingen
Im März ordnete die Regierung an, dass in allen Internierungslagern und Gefängnissen der Besuch von Verwandten oder Freunden nicht mehr erlaubt ist. Diese Massnahme sei im „Interesse der öffentlichen Sicherheit“.

Anwälte oder andere Personen, die den Gefangenen rechtlich bestehen wollen, benötigen für den Besuch eine Genehmigung des Gefängnisdirektors. Auch deren Besuchszeiten sind streng limitiert.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; tibet.net; Radio Free Asia

 

12. Mai 2012
Tibeter boykottieren aus Protest die Bestellung ihrer Felder
Bewohner des Dorfes Adhue boykottieren als Zeichen ihres Protests gegen die andauernde Inhaftierung von  Dorfbewohnern die Frühjahrsbestellung ihrer Felder.

Am 14. April war es im Dorf zu einer Protestaktion gegen die öffentliche Auszeichnung zweier als korrupt geltender Dorfbeamter gekommen [vergl. Tibet-Information vom 25. April 2012; UM]. Dabei wurden die Bewohner von Sicherheitskräften geprügelt und mehrere Tibeter verhaftet.

Am 1. Mai veranstalteten etwa 200 Tibeterinnen aus der Region einen Protestmarsch zum Regierungsgebäude der Provinz Ngaba. Nach etwa 7 km wurden sie von Sicherheitskräften aufgehalten, die die Strasse sperrten. Eine gewaltsame Auseinandersetzung konnte im letzter Minute von Mönchen des Klosters Adhue verhindert werden, die vermittelnd eingriffen.

Danach zerstreuten sich die Demonstrantinnen, aber seitdem boykottieren die Bewohner die Bestellung ihrer Felder und beteiligen sich nicht am Sammeln des Raupenkeulenpilzes (Cordyceps siniensis), der in der traditionellen Medizin Verwendung findet [vergl. Tibet-Information vom 9. Mai 2012; UM], um gegen die Verhaftungen zu protestieren.

Am 5.Mai wurden 7 Tibeter freigelassen, doch mussten sie an einer dreitägigen „Patriotischen Umerziehung“ teilnehmen. Der Boykott der Feldbestellung dauert hingegen weiter an.

Landenteignung für chinesische Migranten
In der Autonomen Präfektur Tsolho im Norden Tibets wurde laut Radio Free Asia das Land von fünf Nomadensiedlungen zwangsenteignet, um Platz für chinesische Migranten zu schaffen. Bei einer Versammlung am 25. April forderten Regierungsvertreter die Vertreter der Nomadenfamilien auf, etwa 60% ihres Landes herzugeben und bis Jahresende mehr als die Hälfte ihres Viehbestandes abzuschaffen. Das abgegebene Land würde eingezäunt, und es dürfe dort kein Vieh mehr weiden. Nach anfänglichem Weigern mussten die Nomadenvertreter unter Zwang der Abtretung zustimmen.

Es wird angenommen, dass auf dem enteigneten Land etwa 30‘000 chinesische Migranten angesiedelt werden sollen. In der Region gibt es bereits eine kleine chinesische Siedlung mit Arbeitern für zwei grosse hydroelektrische Projekte. Zwei weitere Wasserkraftwerke sind in Planung, und es ist davon auszugehen, dass die Arbeiten noch mehr Chinesen anziehen werden.

NGOs in Kardze brauchen behördliche Genehmigung
Ein öffentlicher Aushang im osttibetischen Kardze, der TCHRD im Original vorliegt, ordnet an, dass sich alle NGOs in der Region bei der Verwaltung der Präfektur registrieren müssen. Andernfalls würden sie für illegal erklärt. Die Registrierung werde nur durchgeführt, wenn die Organisationen alle Kriterien der Behörden erfüllen, ohne dass genau gesagt wurde, welches diese Kriterien sind. Auch würden die Aktivitäten der NGOs genau untersucht, und die Genehmigung verweigert oder zurückgezogen, falls die Aktivitäten unzulässig seien.

In Kardze hatten sich in den vergangenen Jahren viele privat finanzierte lokale Organisationen gebildet, die besonders in den Bereichen Erziehung, Religion, Wohlfahrt oder Umweltschutz tätig waren. Auch vermittelten sie oft bei Konflikten zwischen Tibetern und Behördern. In den vergangenen Jahren wurden bereits drei Organisationen zwangsweise geschlossen.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia

 

9. Mai 2012
Prügel für tibetische Nomaden
Im osttibetischen Lithang in der Provinz Kardze sind Nomaden unter Drohungen und Schlägen dazu gezwungen worden, ein Dokument zu unterschreiben, in dem sie den Dalai Lama denunzieren. Laut einem Informaten von Radio Free Asia startete die Kampagne vor 2 Monaten in dem Dorf Mola, aus dem die Familie des jetzigen Premierministers der tibetischen Regierung im Exil, Lobsang Sangay, stammt. Den Nomaden sei zuerst erklärt worden, bei dem Dokument ginge es um ein Abkommen, das Streitigkeiten beim Sammeln des Raupenkeulenpilzes (Cordyceps) vermeiden sollte. Dieser Pilz wird in der traditionellen Medizin verwendet und bedeutet wegen seines hohen Preises eine lukrative Einkommensquelle.

Als es um das Unterzeichnen des aus sieben Punkten bestehenden Dokuments ging, zeigte sich, dass die Nomaden in Wirklichkeit eine Erklärung vor sich hatten, in der sie die „spalterischen Tätigkeiten der Dalai Clique“ verurteilen sollten. Nachdem die Nomaden die Unterschrift verweigert hatten, kamen wenig später mehrere hundert Regierungsbeamte und Polizisten in das Dorf, versammelten die Bewohner und fragten, ob jemand Probleme mit dem Dokument habe. Als zwei Frauen ihre Kritik vortrugen, sei auf alle Anwesenden unterschiedlos eingeprügelt worden. Unter Drohung von Verhaftung und Folter seien sie zur Unterschrift gezwungen worden; einigen wurde vorher der Kopf kahlgeschoren.

Private tibetische Schule geschlossen, Lehrer verhaftet
Ebenfalls in der Provinz Kardze wurde Anfang April eine seit 1989 bestehende private tibetische Schule geschlossen. Der 56-jährige Rektor und ein 36-jähriger Englischlehrer wurden verhaftet und an einen unbekannten Ort gebracht.

Die Schule war damals mit ausdrücklicher Genehmigung der Behörden gegründet worden und finanzierte sich aus privaten Spenden. Sie bot den Kindern Unterrichtsstunden in tibetischer Sprache und Kultur an und legte besonderen Wert darauf, dass im Unterricht nur tibetisch gesprochen wurde.

Die Eltern wurden aufgefordert, ihre Kinder auf der staatlichen Schule unterzubringen und auf keinen Fall eine Wiedereröffnung der geschlossenen Schule zu versuchen. Den Famlien der verhafteten Lehrer wurde es nicht gestattet, sie in Haft zu besuchen.

Sorge um bekannten tibetischen Sänger
Am 19. April wurde im nordosttibetischen Jyekundo der populäre Sänger Lo Lo festgenommen. Der 29-jährige Tibeter hatte vor einigen Monaten ein Album mit dem Titel „Hoch mit der tibetischen Fahne, Kinder des Schneelandes“ produziert, das 14 Lieder enthält, die von der tibetischen Unabhängigkeit und der Rückkehr des Dalai Lama erzählen.

Seit der Verhaftung gibt es keine Nachrichten über seinen Verbleib oder Wohlergehen. Auch die World Organization Against Torture (OMTC) hat jetzt dazu aufgerufen, sich in Appellen an die chinesische Regierung für seine Freilassung einzusetzen.

Quellen: Radio Free Asia; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

2. Mai 2012
Analyse über „Kulturellen Genozid“
Die International Campaign for Tibet (ICT) hat eine umfassende Analyse über den Vorwurf des „Kulturellen Genozids“ veröffentlicht, die unter http://www.savetibet.org/resource-center/ict-publications/reports/60-years-chinese-misrule-exec-summary heruntergeladen werden kann.

Die Analyse kommt zu folgenden Schlussfolgerungen (teils gekürzte Übersetzung aus der Originalfassung; UM):

  • Über die vergangenen mehr als 60 Jahre war die chinesische Herrschaft in Tibet vom dem beharrlichen Bestreben geprägt, die authentische und organisch gewachsene tibetische Kultur durch eine staatlich genehmigte und kontrollierte Version zu ersetzen, die sich mit den ideologischen, politischen und wirtschaftlichen Prinzipien der Kommunistischen Partei verträgt. Dieses Bestreben wird mittels bewusst geplanten Massnahmen verfolgt, die zum Ziel haben, die tibetische Kultur fundamental zu so verändern, dass sie ihrer Essenz beraubt wird und von China lenkbar ist.
  • Die kommunistische Herrschaft in Tibet zeigte ein Muster von Repression, relativer Liberalisierung, ausgeprägter Wiederbelebung der kulturellen Identität der Tibeter, und erneuter Repression. Dieses Muster basiert auf politischen Praktiken, die die Interessen der chinesischen Kommunistischen Partei über diejenigen der Tibeter stellen. Und diese Praktiken wiederum basieren auf ideologischen und nationalistischen Prinzipien, die das Denken der chinesischen Kader tief durchdringen...
  • Die chinesische Politik ... der Repression und Zerstörung der Kultur ist so systematisch und allgegenwärtig, und ihre Folgen sind so schwerwiegend, dass sie Elemente von Kulturellem Genozid aufweisen.
  • Diese Elemente von Kulturellem Genozid, verbunden mit anderen, wie z.B. Akten von Genozid gegen Tibeter in der Vergangenheit... und offiziell sanktionierten Stellungnahmen, die Vorurteile und Hass gegen Tibeter provozieren, sind an anderen Orten als Vorboten von konventionellem Genozid identifiziert worden und sollten die Internationale Gemeinschaft zu entschlossenem Handeln für Tibet auffordern.

„Hartes Durchgreifen“ im Bezirk Kanlho
Im März wurde im osttibetischen Bezirk Kanlho (chin. Gannan) wiederum die Kampagne „Hartes Durchgreifen“ aufgenommen. Diese Kampagne wurde in China im Jahre 1983 ins Leben gerufen und zielte an sich auf das organisierte Verbrechen, wurde aber in Tibet immer wieder zur Unterdrückung unliebsamer politischer Aktivitäten verwendet.

Überall in Kanlho sind Aushänge angebracht, die die Bevölkerung auffordern, „Kriminelle“ zu identifizieren, die „ethnischen Separatismus fördern“, „die nationale Einheit gefährden“, und „Unruhe zwischen den Volksgruppen stiften“. Als verwerflich werden Aktivitäten bezeichnet, die die „Sicherheit des Landes“ oder die „Stabilität der Gesellschaft“ gefährden oder „Gerüchte in sozialen Netzwerken erfinden und verbreiten“.

Für alle, die entsprechende Aktivitäten mit ihren Urhebern an die Polizei melden, wird „persönlicher Schutz“ und eine Belohnung von Yuan 5‘000 (ca. Fr. 700) in Aussicht gestellt.

Quellen: International Campagin for Tibet ICT; Phayul; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

25. April 2012 (2)
Vision bei Vollmond bringt Tibeter ins Gefängnis
Eine der vielleicht absurdesten Verhaftungen wird aus der Region Lhasa gemeldet. Hier wurde Anfang April der 20-jährige Tibeter Phurbu Namgyal verhaftet, während er nachts mit Kollegen in den Vollmond schaute, in der Hoffnung, gemeinsam mit ihnen dort eine Vision des Dalai Lama zu sehen.

Phurbu Namgyal arbeitete in einer lokalen Diskothek und erzählte Kollegen, dass er früher einmal das Gesicht des Dalai Lama im Vollmond gesehen habe. Die Gruppe ging nach draussen, um diese Vision bestätigt zu sehen. Danach wurde er von Beamten des Büros für Öffentliche Sicherheit wegen „illegalen Verhaltens“ verhaftet. Über seinen Verbleib ist nichts weiter bekannt.

„Vorbildliche Klöster“ werden ausgezeichnet
Am 19. April fand in Lhasa die erste Zermonie statt, die „Modellklöster“ auszeichnet. Diese Klöster entstanden im Rahmen einer Kampagne der Regierung im letzten Herbst, um „patriotische“ Mönche und Nonnen heranzuziehen, die sich der „Dalai-Clique“ entgegenstellen [vergl. Tibet-Information vom 3. November 2011; UM]. Den Gewinnern wurden verschiedene Vergünstigungen wie Zuschüsse zur Pension und Krankenversicherung sowie eine kostenlose medizinische Untersuchung pro Jahr in Aussicht gestellt.

Während der Zeremonie in Lhasa wurden nun laut der regierungsoffiziellen Webseite ChinaTibetnews.com sage und schreibe 59 Klöster, 58 Verwaltungskommittees, 6773 Mönche und Nonnen sowie 200 weitere „herausragende Kader“ für ihre „gute Arbeit“ ausgezeichnet.

Der lokale Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Chen Quanguo, betonte in seiner Ansprache, dass die Mönche und Nonnen die „reaktionären, heuchlerischen und trügerischen Methoden“ der „Dalai-Clique“ entlarven müssten, und sie dürften sich nicht in separatistische Aktionen verwickeln, die die „soziale Ordnung stören“.

Tibeter bei Protestaktion verprügelt
Am 14. April wurden tibetische Dorfbewohner verprügelt, die gegen eine Auszeichnung für angeblich korrupte Dorfbeamte protestierten. Der Vorfall ereignete sich im Dorf Adhue in der ohnehin unruhigen Region Ngaba, als ein Konvoi mit Regierungsbeamten vorfuhr, um die beiden Beamten zu ehren. Diese stehen bei den Dorfbewohnern im Verdacht, Zuschüsse für den Bau von Wohnungen im Dorf in die eigene Tasche gesteckt zu haben.

Die etwa 100 protestierenden Tibeter wurden von den im Regierungskonvoi mitfahrenden Sicherheitskräften angegriffen und verprügelt; dazu wurden etwa 15 bis 20 Tibeter verhaftet.

Die beschuldigten Beamten waren für den Bau kleiner Unterkünfte für bedürftige Tibeter im Dorf verantwortlich, die ihnen von der Regierung zur Verfügung gestellt werden sollten. Später erklärte die Regierung dann den Bewohnern, dass sie einen Teil der Baukosten selbst tragen müssten, was viele nicht konnten. Mehrere Haushalte seien wegen der ausstehenden Schulden betrieben worden, während die Beamten einen Teil der Regierungszuschüsse in die eigene Tasche abzweigten.

Schon im Jahr 2008 hatte es in der Region Unruhen gegeben, als die Regierung ein Gebäude enteignete, das gemeinschaftlich von der Dorfgemeinschaft für religiöse Veranstaltungen und Versammlungen genutzt wurde. Anstatt dort das versprochene Altenheim zu errichten, wurde auf dem Gelände ein grosses Armeelager gebaut.

Quellen: Radio Free Asia; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; International Campagin for Tibet ICT

 

25. April 2012
Zwei weitere Selbstverbrennungen – Cousins zünden sich an und sterben
Am 19. April haben sich in der Präfektur Ngaba, die Schauplatz der meisten Selbstverbrennungen war, zwei Cousins gemeinsam angezündet und sind wenige Studen später verstorben. Der Vorfall ereignete sich nahe dem Kloster Dzamthang. Der Bezirk Dzamthang ist einer von drei Bezirken, in denen es im Januar zu Protestaktionen kam, die von den Behörden blutig niedergeschlagen wurden. Mindestens sechs Tibeter kamen dabei ums Leben und 60 weitere wurden teilweise schwer verletzt.

Die Namen der beiden Tibeter werden mit Choepak Kyap and Sonam angegeben; beide waren etwa 20 Jahre alt. Den anwesenden Tibetern gelang es, die Flammen zu löschen und beide vor dem Zugriff von Sicherheitskräften zu bewahren, die in mehreren Fahrzeugen vorfuhren. Trotz medizinischer Hilfe erlagen beide später ihren Brandverletzungen. Im Kloster Dzamthang wurde dann für beide eine Totenzeremonie abgehalten, die von mehreren hundert Mönchen besucht wurde. Die Sicherheitskräfte bestanden darauf, dass die Kremation der Leichen noch am gleichen Abend stattzufinden habe.

Videoclip zeigt Brutalität der Sicherheitskräfte bei Selbstverbrennung
Ein von ICT gerade veröffentlichtes Video dokumentiert, wie Sicherheitskräfte einen Tibeter brutal misshandeln, der sich selbst angezündet hat. Das Video, das unter http://savetibet.org/files/media/LOSANG%20JAMYANG%20SELF-IMMOLATION.MOV einsehbar ist, soll am 14. Januar in Ngaba aufgenommen worden sein, als sich der 22-jährige Lobsang Jamyang in Brand setzte [vergl. Tibet-Information vom 16. Januar 2012; UM]. Lobsang Jamyang hatte sich in einer öffentlichen Toilette mit Benzin übergossen und dann auf der Strasse angezündet. Das Video zeigt, wie erst Tränengas-Granaten abgefeuert werden, um die anwesenden Tibeter zu vertreiben, dann wird Lobsang Jamyang zu Boden geworfen und mit Fusstritten traktiert. Das Video endet, als Tibeter seinen Körper umstellen, um ihn vor dem Zugriff der Sicherheitskräfte zu bewahren.

Danach sollen laut Augenzeugen die Sicherheitskräfte mit nagelbesetzten Keulen auf die Tibeter eingeschlagen und sogar mit scharfer Munition geschossen haben, wobei mehrere schwer verletzt wurden.

Lobsang Jamyang starb zwei Tage später an seinen Brandverletzungen. Seine Verwandten im Exil berichteten, später sei die Polizei mit Schadenersatzforderungen an seine Angehörigen gelangt. Durch das Feuer seien die Polizeiuniformen beschädigt worden.

Protest gegen Schliessung einer lokalen Organisation gewaltsam beendet
Am 14. April erschienen etwa 300 Polizisten im Dorf Da-thama (auch Da-yul genannt), befahlen die Auflösung einer lokalen Organisation und verhafteten ihren Vorsitzenden mitsamt 250 weiteren Anwohnern. In dieser nomadisch geprägten Region im osttibetischen Kardze hatten sich im Jahr 2008 insgesamt 13 Dörfer zu der “Da-yul Thundin Tsogpa” genannten Organisation zusammengeschlossen. Das Ziel der Vereinigung war, lokale Streitigkeiten zu schlichten und gemeinsame Interessen zu verfolgen.

Die Polizei rechtfertigte die Aktion damit, dass die Organisation „illegal“ sei, weil sie politische Ziele verfolge. Als die Tibeter protestierten, wurden sie geprügelt; dabei gab es mindestens 10 Verletzte. Auch am folgenden Tag versammelten sich nochmals etwa 2000 Tibeter aus Protest. Darauf wurden bis auf 33 Personen alle Verhafteten freigelassen.

Seitdem sind die Dörfer von jeder Kommunikation abgeschnitten, so dass es keine weiteren Informationen gibt.

Quellen: Radio Free Asia; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; International Campagin for Tibet ICT

 

7. April 2012 (2)
Überall in Tibet haben sich in den vergangenen Wochen zahlreiche Verhaftungen ereignet, sowohl von bekannten Individuen als auch Massenverhaftungen nach Razzien und Protestaktionen.

Region Drango
Hier wurden mehrere Tibeter verhaftet, bei 12 Personen sind die Namen bekannt. In Drango wurde am 23. Januar ein Protest von Sicherheitskräften blutig niedergeschlagen, wobei es mindestens drei Tote und 36 Verletzte gab [vergl. Tibet-Information vom 23. Januar 2012;UM]. Zahlreiche Tibeter flohen trotz ihrer Verletzungen aus Angst vor Verhaftung danach in die umliegenden Berge.

Sicherheitskräfte schwärmten danach in die Umgebung aus und verhafteten während Razzien und Hausdurchsuchungen in verschiedenen Dörfern mehrere Tibeter, von denen zwölf namentlich bekannt sind. Weiterhin starben zwei Tibeter am 9. Februar, als Sicherheitskräfte von mehreren Seiten das Feuer auf ein Haus eröffneten, in dem sie sich versteckt hatten [vergl. Tibet-Information vom 19. März; UM].

Inzwischen wurde bekannt, dass 11 Tibeter, die sich an den Protesten im Januar beteiligt hatten und festgenommen worden waren, zu Haftstrafen von 3 bis 13 Jahren verurteilt wurden.

Kloster Bora
Etwa 40 Mönche des Klosters Bora wurden in den frühen Morgenstunden des 21. März bei einer Razzia verhaftet. Am Vortag hatten mehr als hundert Mönche einen Protestmarsch vom Kloster in den nahe gelegenen Ort gemacht und dort Portraits des Dalai Lama und die tibetische Nationalflagge gezeigt.

Als Reaktion auf die Verhaftungen fand eine Versammlung von Mönchen im Kloster Bora statt, die den Sicherheitskräften, die das Kloster abgeriegelt hatten, eine Protestnote gegen die Verhaftungen überreichten. Schliesslich wurden die 40 Mönche am gleichen Tag wieder freigelassen, jedoch unter der Bedingung, dass alle eine Erklärung unterzeichnen, in der sie ihre „Fehler“ bereuen und alle Portraits des Dalai Lama und tibetische Flaggen aushändigen. Zwei Tage später wurden erneut 4 Mönche verhaftet und bisher nicht entlassen.

Zatoe, Provinz Yushul
Der hoch angesehene Abt des Klosters Gyegyel Zogchen, Khenpo Gyewala, verschwand am Abend des 8. März spurlos zusammen mit 13 weiteren Personen. Es wird vermutet, dass alle bei einer Razzia des Büros für Öffentliche Sicherheit verhaftet wurden.

Khenpo Gyewala hatte eine Schule gegründet, die während der Winterzeit, wenn die öffentlichen Schulen geschlossen sind, Kinder in tibetischer Sprache, Grammatik, Religion und Kultur unterrichtet. Die Schule wurde von 800 Kindern aus Nomadenfamilien, oder kürzlich im Rahmen der Umsiedlungen sesshaft gemachten Nomadenfamilien, besucht und sollte der steigenden Zahl von Analphabeten entgegen wirken.

Khenpo Gyewala war bereits am 10. Februar verhaftet worden, nachdem er gegen das kurzfristig erlassene Verbot eines religiösen Festes in seinem Kloster protestiert hatte. Nachdem sich etwa 800 protestierende Schüler vor dem Gebäude der Öffentlichen Sicherheit (PSB) versammelt hatten, wurde er wieder frei gelassen, mit der Auflage, sich nicht aus dem Kloster zu entfernen. Dann verschwand er am 8. März, und sein Aufenthaltsort ist bis jetzt unbekannt.

Seine Schwester, die sich mehrfach bei den Sicherheitskräften nach seinem Verbleib erkundigt hatte und immer wieder abgewiesen wurde, sei am 15. März bei einem lauten Disput im PSB-Gebäude plötzlich zusammengebrochen und später in einem Spital verstorben. Nähere Informationen zu diesem Vorfall sind bisher nicht erhältlich.

Quellen: Radio Free Asia; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

7. April 2012
Serie der Selbstverbrennungen reisst nicht ab
In den vergangenen zwei Wochen ereigneten sich wiederum Selbstverbrennungen. Mindestens ein Tibeter erlag seinen Verletzungen. Zum ersten Mal setzten sich zwei Mönche gleichzeitig in Brand.

Lobsang Sherab (20 Jahre, Mönch)
Sherab setzte sich am 29. März in Ngaba, dem Ort der meisten Selbstverbrennungen, auf der Hauptstrasse in Brand, während er Slogans für die Freiheit Tibets rief. Er starb auf der Stelle. Tibeter wollten den Leichnam zur Familie des Mönches bringen, jedoch bemächtigten sich die Sicherheitskräfte seines Körpers und schafften ihn fort. Auch wurden alle Läden im Ort angewiesen, sofort zu schliessen.

Tenpa Dhargyal (22 Jahre) und Chime Palden (21 Jahre), beide Mönche
Beide Möche setzten sich am 30. März gleichzeitig, ebenfalls in der Präfektur Ngaba, in Brand, während sie Parolen für die Freiheit Tibets riefen.

Laut Augenzeugen lebten beide, als sie von Sicherheitskräften in das lokale Spital gebracht wurden, jedoch gibt es seitdem keine Nachrichten über ihren Zustand. Als Mönche von ihrem Kloster von dem Vorfall erfuhren, wollten sie zum Ort der Selbstbrennung eilen, jedoch wurde ihr Fahrzeug unterwegs von Sicherheitskräften aufgehalten.

Chime Palden verbrachte bereits vor 2 Jahren einen Monat in Haft, nachdem Sicherheitskräfte bei einer Razzia ein Foto des Dalai Lama, eine tibetische Flagge und ein verbotenes Freiheitslied auf seinem Mobiltelefon entdeckt hatten.

Handgranaten gegen Protestierende, ein Kind getötet
Am 18. März setzten Sicherheitskräfte Tränengas und Handgranaten gegen protestierende Tibeter ein, wobei ein 12-jähriger Junge tödlich verletzt wurde. Die Proteste hatten am 15. März im nordtibetischen Tsolho (heutige chinesische Provinz Qinghai) begonnen, nachdem 50 Mönche des Klosters Shingtri sowie ein bekannter Sänger mitsamt Frau und zwei Kindern bei einem Protestmarsch verhaftet worden waren. Die Mönche hatten unter anderem die (verbotene) tibetische Nationalflagge gezeigt.

Die friedlichen Proteste gegen die Verhaftungen zogen sich über drei Tage hin, bis dann die Sicherheitskräfte Tränengas und Handgranaten einsetzten. Ausser dem getöteten Jungen wurden noch sieben Tibeter schwer verletzt und in ein Spital gebracht.

Quellen: Radio Free Asia; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

19. März 2012 (2)
Chinesische Regierungskader übernehmen Klöster
Mehrere Klöster in der norttibetischen Region Nagqu wurden dazu gezwungen, die gesamte Administration an speziell von Beijing entsandte chinesische Regierungskader zu übergeben. Ende Februar wurden diese Klöster von jeweils fünfköpfigen „Arbeitsteams“ besucht, die während einer Versammlung der bisherigen Klosteradministration diesen Beschluss mitteilten. Dann katalogisierten die Teams die Besitztümer der Klöster, einschliesslich aller Antiquitäten, und wiesen die Mönche an, keinerlei Transaktionen mehr ohne Genehmigung vorzunehmen. Der Protest der Mönche, dass die Klöster grösstenteils mit privaten Spenden wiederrichtet worden waren, wurde ignoriert. Auch hielten die Kader „Umerziehungssitzungen“ ab, während derer die Mönche nach Kontakten ins Exil befragt wurden.

Viele Mönche verliesen darauf die Klöster. Darauf kam es zu Petitionen der Einwohner, die Mönche ungestört zu lassen, anderfalls sei niemand mehr für die religiösen Rituale da. Ein öffentlicher Aushang in der Ortschaft Markhug drohte den Mönchen sodann, dass man noch „andere Massnahmen“ treffen werde, sollten sie nicht in die Klöster zurückkehren.

Von mindestens drei Klöstern ist bekannt, dass diese nach dem Auszug der Mönche geschlossen wurden. Auch hier waren „Umerziehungssitzungen“ abgehalten worden, und chinesische Offizielle hatten darauf bestanden, dass die Klöster die chinesische Flagge hissen.

In der Region wurden die „Nachbarschaftskommittees“ der Dörfer zur speziellen Wachsamkeit angewiesen. Niemand dürfe Mönchen Herberge anbieten, wenn sie ihre Klöster verlassen hätten, und die Behörden seien umgehend darüber zu informieren.

Jagd auf Protestierende im Bezirk Drango mit Toten
Nach den blutigen Protesten im osttibetischen Bezirk Drango [vergl. Tibet-Information vom 23. Januar 2012; UM] machen die Sicherheitskräfte Jagd auf alle Tibeter, die der Beteiligung daran verdächtigt wurden. Da viele von Überwachungskameras fotografiert wurden, sind manche von ihnen in die nahegelegenen Berge geflohen.

Bei systematischen Hausdurchsuchungen und Festnahmen wird oft Gewalt angewandt. Nicht nur Mönche, sondern auch Intellektuelle, Kulturschaffende und Umweltschützer werden verhaftet, nicht selten mit Gewalt und Misshandlungen. Im Kloster von Drango wurden wieder „Umerziehungssitzungen“ aufgenommen, und in der Schule wird „patriotischer Unterricht“ durchgeführt.

Von besonderer Gewalt war die Familie des Mönches Yeshe Rigsel betroffen. Dieser hatte bei den Protesten am 23. Januar Fotos gemacht. Später war er aus Furcht vor Verhaftung mit seinem Bruder geflohen. Nach einem Bericht von Augenzeugen hatten Sicherheitskräfte beide am 9. Februar im Winterquartier der Familie ausfindig gemacht.

Nachdem sie mit Gewalt in das Haus eingedrungen waren, kam es zwischen den Sicherheitskräften und Familienmitgliedern zu einem Handgemenge. Danach verliesen die Sicherheitskräfte das Haus wieder, aber, anstatt abzuziehen, eröffneten sie von mehreren Seiten das Feuer. Augenzeugen berichten von einem „Kugelhagel“, in dem Yeshe Rigsel und sein Bruder ums Leben kamen. Zahlreiche andere Familienmitglieder wurden von den Kugeln zum Teil schwer verletzt. Yeshe Rigsels Mutter musste später ein Arm amputiert werden.

Später wurde gesehen, wie die Körper von Yeshe Rigsel und seinem Bruder mit Seilen um den Hals weggeschleift wurden. Auch wurden die Motorräder der Familie verbrannt.

 

Quellen: Radio Free Asia; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

19. März 2012
Weitere vier Selbstverbrennungen
In der vergangenen Woche zündeten sich vier Tibeter an. Mindestens zwei sind ihren Verletzungen erlegen.

Gyepe (18 Jahre, Mönch)
Der Mönch aus dem Kloster Kirti in Ngaba, das im Fokus der chinesischen Repression steht und gleichzeitig Schauplatz der meisten Selbstverbrennungen war, zündete sich am 10. März, dem Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes von 1959, hinter einem chinesischen Militärlager an. Angeblich handelte es sich bei dem Armeelager um das erste, das die chinesische Armee seinerzeit bei ihrer Invasion in Tibet errichtet hatte. Gyepe starb auf der Stelle; sein Leichnam wurde von Sicherheitskräften entfernt. Am folgenden Tag wurde es laut Radio Free Asia fünf Mönchen erlaubt, der Kremation beiwohnen, seinen Angehörigen hingegen nicht [Das TCHRD meldet allerdings, dass es sich bei den fünf Personen um Angehörige und nicht um Mönche handelte; UM].

Jamyang (34 Jahre, Mönch)
Jamyang setzte sich am 14. März, dem Jahrestag des Aufstandes von 2008, vor der Gebetshalle des Klosters Rongbo Gonchen in der nordtibetischen Region Rebkong in Brand. Die anwesenden Tibeter konnten die Flammen löschen. Mitarbeiter des Büros für Öffentliche Sicherheit brachten ihn in das örtliche Spital, später dann auf Bitten des Klosters zurück nach Rongbo Gonchen. Er soll sich in kritischem Zustand befinden.

Als sich Anwohner in Solidarität zu ihm vor dem Kloster versammelten und Gebete rezitierten, wurden sie von Sicherheitskräften umringt und eingeschlossen, hörten aber trotz Drohungen nicht damit auf, Gebete zu rezitieren.

Einen Tag vor der Selbstverbrennung hatten etwa 4‘000 Mittelschüler in Rebkong und in dem Nachbarbezirk Tsekhog für die Verwendung der tibetischen Sprache im Unterricht demonstriert. Sie wurden daraufhin am Verlassen der Schule gehindert. In der Region war es schon im Herbst 2010 zu Schülerprotesten gegen die Verdrängung der tibetischen Sprache aus dem Schulunterricht gekommen [vergl. Tibet-Informationen vom 22., 25., 29. Oktober, 24. November und 7. Dezember 2010; UM].

Lobsang Tsultrim (20 Jahre, Mönch)
Der Mönch des Klosters Kirti setze sich am 16. März auf der Hauptstrasse von Ngaba in Flammen. Als er Sicherheitskräfte auf sich zueilen sah, drehte er um und rannte, Parolen für die Freiheit rufend, in die entgegengesetzte Richtung. Selbst als ihn die Sicherheitskräfte niederwarfen und festhielten, soll er noch die Arme erhoben und gerufen haben. Über seinen Zustand ist nichts bekannt.

Als Reaktion auf die Selbstverbrennung wurden die Armeeposten vor dem Kloster nochmals verstärkt und weitere Kontrollstationen auf den Einfallstrassen nach Ngaba errichtet.

Sonam Dhargye (43 Jahre, Bauer)
Lobsang Tsultrim verbrannte sich am 17. März auf einer Strassenkreuzung beim Gemüsemarkt der Stadt Rongpo, die nicht weit vom Kloster Rongbo Gonchen in der Region Rebkong liegt. Er sei auf der Stelle gestorben. Wie bei Jamyang am 14. März, versammelten sich zahlreiche Mönche und Laien wiederum vor dem Kloster Rongbo Gonchen zu Gebeten. Weitere Details sind noch nicht bekannt.

Quellen: Radio Free Asia; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

6. März 2012
Weitere drei Selbstverbrennungen: Mutter von 4 Kindern und zwei Teenager sterben
Am 3., 4. und 5. März ereigneten sich weitere drei Selbstverbrennungen. Alle drei Tibeterinnen und Tibeter sind ihren Verletzungen erlegen.

Tsering Kyi (19 Jahre, Mittelschülerin)
Die Mittelschülerin entzündete sich am Nachmittag des 3. März auf dem Gemüsemarkt in Machu im Nordosten Tibets, heute chinesische Provinz Gansu. Es ist der erste Fall von Selbstverbrennung in dieser Provinz. Markthändler hätten noch versucht, die Flammen zu löschen. Die herbei geeilte Polizei hätte hingegen auf ihren brennenden Körper eingeschlagen.

Die Mittelschule von Machu war bereits früher Schauplatz von Spannungen. Schüler seien in den vergangengen Wochen unter dem Verdacht festgenommen worden, an Protestaktionen beteiligt gewesen zu sein.

Unmittelbar nach der Selbstverbrennung wurde die Schule von Sicherheitskräften abgeriegelt. Nicht einmal die Eltern haben noch Kontakt mit ihren Kindern. Die Schülerinnen und Schüler werden einzeln verhört. Internetcafes wurden geschlossen, und Mobiltelefone von Tibetern werden kontrolliert, ob von ihnen Bilder und Nachrichten in das Ausland geschickt wurden.

Rinchen (33 Jahre, vierfache Mutter)
Rinchen setzte sich vor dem Kloster Kirti in Ngaba, das Schauplatz der meisten Verbrennungen war, am 4. März morgens früh in Brand, direkt neben der Zentrale der Sicherheitskräfte, die das Kloster seit Wochen abriegeln. Sie rief, wie alle anderen vor ihr auch, Parolen für die Freiheit Tibets und die Rückkehr des Dalai Lama.

Den Mönchen von Kirti gelang es, ihren Leichnam in das Kloster zu bringen.

Rinchen, die verwitet ist, hinterlässt vier Kinder im Alter von 13 Jahren bis wenigen Monaten. Ihr Mann starb vor einem Jahr.

Dorje (19 Jahre)
Dorje entzündete sich am 5. März morgens früh vor einem Regierungsgebäude in der Ortschaft Cha in der Provinz Ngaba, etwa 60 km von der Stadt Ngaba entfernt. Er sei brennend und Parolen rufend auf das Gebäude zugelaufen. Sein Leichnam wurde darauf von Sicherheitskräften weggetragen.

Dorje stammt aus derselben ländlichen Region wie Rinchen, die sich am Tag zuvor selbst verbrannt hatte.

Quellen: Süddeutsche Zeitung;Focus; International Campaign for Tibet

 

2. März 2012
China befiehlt fröhliches Feiern zum tibetischen Neujahr
Zum tibetischen Neujahrsfest wurde eine grosse Propagandauschau organisiert. In Lhasa fand auf Geheiss der Behörden eine viereinhalbstündige Revue statt, die im Fernsehen übertragen wurde. Insgesamt 35 Darbietungen mit Titeln wie „Drache in blühender Zeit“, „Grosse Verheissung des Glücks“ oder „Reigen für ein glückliches Lhasa“ fanden statt, darunter auch ein grosses Pferderennen und ein Tanz am Fusse des Potala-Palastes mit 5000 Teilnehmern. Danach sollten Tibeter über die Stadt verteilt die Tänze wiederholen.

Die Medien berichteten auch über zahlreiche Filmpremieren in den Kinos von Lhasa, über die festliche Beleuchtung seiner historischen Bauwerke einschliesslich der Klöster, von vollen Restaurants und einer „freudig-erwartungsvollen“ Stimmung mit fröhlichen Menschen.

In starkem Kontrast zu diesen Meldungen stehen die Warnungen von Kadern vor „sezessionistischen Sabotageakten“, die angeblich zum 10. März, dem Jahrestag des Volksaufstandes von 1959, von der „Dalai-Clique“ geplant seien. Die in Beijing erscheinende englischsprachige Zeitung „Global Times“ warnte gar mit der Titelzeile „Tibets Offizielle bereiten sich auf Krieg vor.“ Die Überwachung von Internet und Mobiltelefonen wurde nochmals verschärft.

Zunehmende Repression zwingt Mönche zum Verlassen ihrer Klöster
Wegen der aggressiven Durchsetzung der „Patriotischen Umerziehung“ verlassen immer mehr Mönche ihre Klöster. Auch werden Mönche auf Geheiss der Behörden aus Klöstern verwiesen, wenn sie sich der offiziellen Politik verweigern.

Im Kloster Bekar in der nordtibetischen Präfektur Nagchu verliessen die meisten Mönche nach Drohungen von Kadern, die sich zunehmend im Kloster einquartiert hätten, ihre Behausungen. Bewohner des Ortes hätten daraufhin die Leichen von Verstorbenen vor dem Verwaltungsgebäude abgelegt, um dagen zu protestieren, dass niemand mehr die Totenrituale durchführen kann. Auch von anderen Klöstern wird berichtet, dass immer mehr Mönche weggehen, etwa wenn die Behörden religiöse Zeremonien verbieten, oder das Hissen der chinesischen Flagge oder das Aufhängen der Portraits von kommunistischen Führern anordnen.

Protestaktionen und Verhaftungen
Noch immer trotzen Tibeter der massiven Präsenz der Sicherheitskräfte und führen Protestaktionen durch.

In der osttibetischen Präfektur Kardze, nahe Serthar, das bereits im Januar Schauplatz der blutigen Niederschlagung eines Protests war [vergl. Tibet-Information vom 26. Januar 2012; UM], versammelten sich auf einer Strasse Mönche zu einem Gebet, worauf sich weitere Tibeter dazu gesellten, die die verbotene tibetische Nationalfahne hochhielten und ein Transparent mit dem Namen der Personen entrollten, die sich selbst verbrannt hatten. Die Sicherheitskräfte schritten nicht ein, fotografierten aber die Beteiligten – möglicherweise um sie später festzunehmen, ohne Aufsehen zu erregen.

In Yushul in der nordtibetischen Provinz Qinghai führten Mönche des Klosters Zikar einen 11 km langen Protestmarsch an. An einer Brücke versperrten Sicherheitskräfte den Weg, worauf die Menge auf etwa 1000 Personen anwuchs. Während die meisten Tibeter unbehelligt blieben, wurden 25 Mönche als Rädelsführer in einem lokalen Schulgebäude festgesetzt, wo sie ebenso wie die übrigen Mönche im nun abgeriegelten Kloster Zikar einer „patriotischen Umerziehung“ unterworfen werden.

Quellen: Süddeutsche Zeitung; Blick; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)

 

20. Februar 2012
Weitere 2 Selbstverbrennungen
Am 17. und 19. Februar haben sich weitere zwei Tibeter selbst verbrannt. Beide starben noch am gleichen Tag an ihren Verbrennungen.

Damchoe Sangpo (etwa 40 Jahre)
Damchoe Sangpo, ein Mönch aus dem Kloster Bongthak im Norden Tibets, heute chinesische Provinz Qinghai, setzte sich am 17. Februar morgens früh in Brand, als die anderen Mönche aus der Morgenzeremonie kamen. Bemerkenswert ist, dass er ehemals Mitglied des sogenannten „Demokratischen Verwaltungsrats“ war, also eines Gremiums, das die Kontrolle von Staat und Partei über das Kloster sicherstellen sollte. Auch wirkte er als Disziplinmeister und Lehrer.

Er hatte sich in der Vergangenheit den lokalen Behörden entgegenstellt und sie aufgefordert, das Kloster zu verlassen, nachdem sie sich nach einem Vorfall vor einiger Zeit in die Angelegenheiten des Klosters eingemischt hatten. Ein Mönch des Klosters hatte gegen den Abbau von Silber in der Nähe protestiert und war nach seiner Aktion verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Im Januar wurde die Zahl der um das Kloster postierten Sicherheitskräfte erhöht, die die Mönche bei der Abhaltung von Zeremonien hinderten. Die Sicherheitskräfte drohten, das Kloster zu schliessen, wenn die Mönche nicht an der „Patriotischen Umerziehung“ teilnehmen.

Nach seiner Selbstverbrennung wurden alle Telefon- und Internetleitungen in die Region unterbrochen. Laut Informanten führen Sicherheitskräfte Razzien im Kloster durch.

Nangdrol (18 Jahre)
Nangdrol setzte sich am Mittag des 19. Februar vor dem Kloster Zamthang in der Provinz Ngaba in Flammen und starb auf der Stelle.

Sicherheitskräfte versuchten, sich des Leichnams zu bemächtigen, doch gelang es den Mönchen des Klosters, seinen verbrannten Körper zur Abhaltung der letzten Riten ins Kloster zu bringen.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)

 

17. Februar 2012
Neuer Leiter der Präfektur Ngaba
Nach der Ablösung von Kadern, denen Versagen bei der Niederschlagung der Protestaktionen vorgeworfen wird [vergl. Tibet-Information vom 13. Februar 2012; UM], setzte China nun einen neuen Leiter der Präfektur Ngaba (chin. Aba) ein. Liu Zuoming, der früher als Staatsanwalt tätig war, bestätigte umgehend, den harten Kurs fortzusetzen. In seiner Antrittsrede sagte er, alles müsse getan werden, um die "Spaltung, Infiltration und Sabotage durch feindliche Kräfte aus dem In- und Ausland" zu bekämpfen.

Aus Indien zurückkehrende Pilger in „Politischer Umerziehung“
Von mehreren hundert Tibetern, die in Indien an der Kalachakra-Zeremonie teilgenommen hatten und bei ihrer Rückkehr via Nepal nach Tibet verhaftet worden waren [vergl. Tibet-Information vom 4. Februar 2012; UM] fehlt weiter jede Spur. Augenzeugen hatten berichtet, dass sie die Verhafteten auf dem Bahnhof von Lhasa sahen, wie sie in Züge mit unbekanntem Ziel verbracht wurden.

Nach Informationen von Human Rights Watch sind diese Tibeter zur „Politischen Umerziehung“ interniert. Diese Massnahme, die zuletzt während der Kulturrevolution in den 70-er Jahren in grossem Stil praktiziert wurde, soll in der Regel zwischen 20 Tagen und 3 Monaten dauern.

Trotz Nachrichtensperre: Bilder und Berichte aus Ngaba
Sowohl BBC als auch The Guardian haben Bildmaterial online gestellt, das die Situation in der schwer belagerten Region Ngaba zeigt. Es gelang Reportern, trotz zahlreicher Kontrollen und Strassensperren in die Region vorzudringen.

Deren eindrucksvolle Berichte samt Bildmaterial sind unter http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-china-16908985 und http://www.guardian.co.uk/world/video/2012/feb/10/inside-tibet-heart-protest-video zu finden.

Quellen: Aargauer Zeitung; Human Rights Watch/Focus; BBC/Guardian

 

14. Februar 2012
Wiederum Selbstverbrennung in Ngaba
Nur 2 Tage nach der letzten Selbstverbrennung einer 18-jährigen Nonne [vergl.Tibet-Information vom 13. Februar 2012;UM] setzte sich am 13. Februar der 19-jährige Mönch Lobsang Gyatso auf der Hauptstrasse von Ngaba in Brand. Lobsang Gyatso stammt aus dem von Sicherheitskräften besetzten und drangsalierten Kloster Kirti. Auch er rief Parolen gegen die Unterdrückung der Tibeter, während er in Flammen stand.

Sicherheitskräfte löschten die Flammen, prügelten aber auch gleichzeitig auf ihn ein. Er wurde fortgeschafft, ohne dass Weiteres über seinen Zustand bekannt ist.

Zwei weitere tibetische Jugendliche, die Zeugen des Vorfalls wurden, wurden ebenfalls von Sicherheitskräften geprügelt. Einer konnte mit Hilfe von anderen Tibetern fliehen, während der zweite, der am Arm und Kopf blutende Wunden aufwies, von Sicherheitskräften abgeführt wurde.

Danach wurde die Zahl der Kontrollstellen mit Sicherheitskräften in Ngaba nochmals erhöht, und Tibeter auf der Strasse werden teils willkürlich durchsucht.

Zehn von 27 in China inhaftierten Journalisten sind Tibeter
Nach der jährlichen Erhebung des Committee to Protect Journalists (CPJ), einer NGO, die sich die Förderung der Pressefreiheit zum Ziel setzt, sind 10 von 27 in China inhaftierten Journalisten Tibeter, weitere 6 sind Uiguren. Diese Zahl könnte auch höher sein, da es noch weitere, unbekannte Fälle von Inhaftierungen geben dürfte. Der häufigste Vorworf gegen diese Journalisten, die von Staat und Partei unerwünschte Nachrichten verbreiten, ist „Verrat von Staatsgeheimnissen“.

Auch sind seit einigen Tagen populäre Internetseiten mit tibetischen Blogs, wie Rangdrol.net und AmdoTibet gesperrt.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

13. Februar 2012
Wiederum 2 Selbstverbrennungen, noch mehr Sicherheitskräfte in Ngaba
Am 8. und 11. Februar ereigneten sich zwei weitere Selbstverbrennungen im Bezirk Ngaba (chin. Aba), der Schauplatz der meisten Selbstverbrennungen war. Insgesamt steigert sich die Zahl der Selbstverbrennungen auf 22, davon 21 seit einem Jahr.

Am 8. Februar setzte sich der 19-jährige Rinzin Dorjee in Flammen. Sicherheitskräfte löschten die Flammen und brachten ihn in ein Spital. Weiteres ist über ihn nicht bekannt, aber Informanten beschrieben seinen Zustand als „an der Schwelle des Todes“. Rinzin Dorjee hatte aus unbekannten Gründen im Jahre 2010 das Kloster Kirti, das seit der Selbstverbrennung im März 2011 von Sicherheitskräften belagert wird [vergl. Tibet-Information vom 21. März 2011;UM], verlassen und lebte seitdem bei seinen Eltern. Zwei Mönche, die Zeugen seiner Selbstverbrennung waren, wurden verhaftet. Weiteres ist über sie nicht bekannt.

Am 11. Februar folgte die 18-jährige Nonne Tenzin Choedon. Auch sie setzte sich im Bezirk Ngaba an einer Strassenkreuzung, nahe ihrem Kloster, in Flammen und rief Parolen gegen die chinesische Herrschaft in Tibet. Tenzin Choedon stammt aus dem Kloster Dechen Choekhorling. Aus dem gleichen Kloster hatte sich schon am 17. Oktober letzten Jahres eine Nonne selbst verbrannt und war verstorben [vergl. Tibet-Information 18. Oktober 2011; UM]. Tenzin Choedon wurde von Sicherheitskräften in ein Spital gebracht; weiteres über ihren Zustand ist nicht bekannt. Das Kloster ist von Sicherheitskräften umstellt, Bewohner bezeichnen es als „Belagerung“.

Im Ort Ngaba kommen nach Angaben von Bewohnern inzwischen drei Sicherheitskräfte auf jeden Einwohner. Patrouillien mit Schuss- und Schlagwaffen sind überall im Ort zu sehen, und paramilitärische Kräfte marschierten durch die Strassen. Vor dem Kloster Kirti stehen 40 bis 50 Militärfahrzeuge. Eine Gebetsfeier im Kloster musste abgebrochen werden. Selbst chinesische Ladenbesitzer fürchten, dass die Repression nur noch mehr Gewalt provoziert, schlossen ihre Läden und verliessen die Region.

In der Gemeinde Barma im Bezirk Dzamthang, wo am 27. Januar ein Tibeter bei Protesten erschossen wurde, wurden den Tibetern unterschriebene Erklärungen in chinesischer Sprache abverlangt, die die Protestaktionen verurteilen. Wer nicht Chinesisch konnte, musste seine Erklärung auf dem Polizeiposten mündlich vortragen, wo sie dann protokolliert wurde.

Kommunistische Parteifunktionäre wegen „Versagens“ entlassen
Der neue KP-Vorsitzende der Autonomen Region Tibet, Chen Quanguo, geht auch gegen eigene Funktionäre vor, denen angesichts der Protestwelle“Versagen” vorgeworfen wird. In der letzten Woche mussten deswegen drei Funktionäre ihren Posten räumen. Chen Quanguo fordert in seiner Verlautbarung über die Absetzung der Funktionäre unerbittliche Härte bei der “konsequenten Fortsetzung des Kampfes gegen die Dalai-Clique”.

Verwundeter Tibeter auf der Flucht erschossen
Auch auf verwundete Tibeter machen die Sicherheitskräfte Jagd. Ein am 23. Januar bei den Protesten in Drango [vergl. Tibet-Information vom 23. Januar 2012; UM] verwundeter Tibeter wurde von Sicherheitskräften aufgespürt und in seinem Versteck gemeinsam mit seinem Bruder erschossen. Der Tote ist 40-jährige Yeshi Rigsel, ein Mönch aus dem lokalen Kloster. Er stammt wie sein erschossener 38-jähriger Bruder Yeshi Samdup aus einer Nomadenfamilie. Die Brüder hatten sich nach den Protesten am 23. Januar in den nahe gelegenen Bergen versteckt gehalten.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy THCRD; Radio Free Asia; freetibet.org; Wiener Zeitung; Phayul

 

7. Februar 2012
Drei weitere Selbstverbrennungen
In einem entlegenen Ort, etwa 150 km von Serthar entfernt, haben sich am 3. Februar drei Tibeter in Brand gesetzt. Während sie in Flammen standen, hätten alle drei Parolen für die Freiheit Tibets und die Rückkehr des Dalai Lama gerufen. Weil der Ort so entlegen ist, gelangte diese Nachricht erst jetzt ins Ausland.

In Serthar waren bis zu 5 Tibeter getötet worden, als Sicherheitskräfte das Feuer auf protestierende Tibeter eröffneten [vergl. Tibet-Information vom 26. Januar 2012; UM].

Einer der Tibeter ist nach Informanten von Radio Free Asia sofort gestorben, zwei weitere hätten mit schweren Verbrennungen überlebt.

Während die Identität des Toten nicht bekannt ist, wurden die Namen der beiden Überlebenden mit Tsering, 60 Jahre alt, und Kyari, 30 Jahre alt, angegeben.

Journalisten riefen eine Beamtin in der lokalen Verwaltung des Bezirks Serthar an, die jedoch den Vorfall dementierte.

Falls diese Nachrichten zutreffen, steigt die Zahl der Selbstverbrennungen seit 2009 auf 20, davon allein 19 seit einem Jahr.

Bilddokumente von Protesten in Drango
Unterdessen gelangten Fotos aus Drango in das Ausland, die Opfer des von Sicherheitskräften blutig niedergeschlagenen Protests vom 23. Januar zeigen [vergl. Tibet-Information vom 26. Januar 2012; UM]. Die Bilder sind zu sehen unter http://www.flexform.de/pppmbeva.

Nach Berichten aus Drango wagen sich Tibeter nicht mehr in die Innenstadt, da sie sonst Gefahr laufen, verhaftet und während Verhören misshandelt zu werden.

Quellen: Radio Free Asia; Der Stern

 

4. Februar 2012
China verschärft die Repression in Tibet
Eine ganze Reihe von Massnahmen, die in der letzten Woche publik wurden, zeigen das Aussmass der neuen Restriktionen, die China in allen Regionen Tibets implementiert. Einmal mehr werden „separatistische Gruppierungen im Ausland“ beschuldigt, hinter den Unruhen zu stehen. „Die Versuche separatistischer Gruppen im Ausland, die Wahrheit zu verdrehen und die chinesische Regierung zu diskreditieren, sind zum Scheitern verurteilt“, erklärte ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums.

Abriegelung von Regionen in Sichuan und Gansu
Die Regionen Tibets, die heute in Sichuan und Gansu liegen, werden hermetisch von der Aussenwelt abgeriegelt. Reporter der Nachrichtenagentur AFP wurden an der Reise in den Westen Sichuans gehindert. Bei einer Kontrolle an der Fernstrasse wurden sie wegen „Schneefalls“ zurückgewiesen. In der Präfektur Kandze (chin. Ganzi) waren die Telefon- und Internetverbindungen gestört oder ganz unterbrochen. Im tibetischen Viertel von Chengdu, der Hauptstadt Sichuans, war es Reportern untersagt, Fotos oder Interviews zu machen.

Aushängen von chinesischen Flaggen und Portraits von Politikern
Im Rahmen der im letzten Dezember vom neuen Parteivorsitzenden in Tibet, Chen Quanguo, in tibetischen Dörfern implementierten Kampagne „Neun Dinge, die man haben muss“, wurden zum chinesischen Neujahr über eine Million chinesischer Flaggen und Wandbilder mit den Portraits von chinesischen Staatsführern an Klöster, Schulen, Büros und Haushalte verteilt. Der Vorsitzende der kommunistischen Regionalregierung in Tibet, Padma Choling, bezeichnete das Aushängen der Portraits als Ausdruck der „von Herzen kommenden Dankbarkeit der Tibeter an die Zentralregierung und die Kommunistische Partei Chinas“.

Ausweiszwang
Alle Personen, die nach Tibet einreisen wollen, müssen ab 1. März einen von der Regierung ausgestellten Personalausweis (chin. shen fen zheng) mit sich führen. Bei einer Inspektionsreise sagte der Vorsitzende der Kommunistischen Partei in Lhasa, Qi Zhala, diese Massnahme diene der „Koordination zwischen den vier Provinzen“ [Qinghai, Gansu, Yunnan und Sichuan, in die jeweils Teile des historischen Tibets aufgenommen wurden; UM]. Die Polizei dürfe „keine kleinen, keine mittleren, und keine grossen Zwischenfälle zulassen“ und müsse gegen „Separatisten hart zuschlagen“. Die Sicherheitsmassnahmen müssten verschärft und die Zahl der Polizisten vergrössert werden, besonders entlang der Überlandstrassen und bei den „Schlüsselklöstern“.

Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen
Tibeter in Lhasa klagen, dass sie kaum ein Paar Schritte auf der Strasse machen könnten, ohne von der Polizei kontrolliert zu werden. Es gibt viele Berichte von willkürlichen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Sicherheitskräfte kontrollieren die Identität aller Hotelgäste in Lhasa. Selbst in Beijing wurden die Hotels und Badehäuser vom Büro für Öffentliche Sicherheit angewiesen, auf die Anwesenheit von Tibetern zu achten. Das Personal muss deren Identität kontrollieren und Hotelgäste sofort der lokalen Polizeistation melden.

Aus Indien zurückkehrende Pilger verhaftet
Mehrere Hundert Pilger, die via Nepal aus Indien nach Tibet zurückkehrten, sind verhaftet und in einen Zug nach China mit unbekanntem Ziel verbracht worden. Augenzeugen hatten diese Szene auf dem Bahnhof von Lhasa beobachtet. Über das Schicksal dieser Tibeter ist nichts bekannt.

Am Grenzübergang von Nepal nach Tibet im Ort Drangmo (chin. Zhangmu) wurden vom Büro für Öffentliche Sicherheit eigens 12 Kontrollposten eingerichtet, die zurückkehrende Tibeter kontrollieren und verhören. Schon früher hatten Tibeter geklagt, dass ihnen bei diesen Kontrollen religiöse Gegenstände, sogar ihre Gebetsketten, oder in Indien gekaufte Medikamente weggenommen würden, und dass sie mitunter mit vorgehaltener Waffe bedroht und eingeschüchtert würden.

Quellen: ORF; Phayul; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

26. Januar 2012
Unruhen in Tibet weiten sich aus – weitere Todesopfer
Angesichts der offiziellen Nachrichtensperre und dem Einreiseverbot für unabhängige Beobachter ist es derzeit schwer, sich ein angemessenes Bild von den Unruhen in Tibet und der Zahl der Opfer zu machen.

Die Nachrichten von Informanten deuten darauf hin, dass sich an mehreren Orten Proteste ereigneten, denen von Sicherheitskräften mit Waffengewalt begegnet wurde, und dass es mehrere Todesopfer gab.

In Drango [vergl. Tibet-Information vom 23. Januar 2012; UM] soll es unbestätigten Meldungen zufolge nicht nur ein, sondern bis zu 6 Todesopfer gegeben haben. Nahezu 40 verwundete Tibeter sollen im Kloster Zuflucht gesucht haben, da sie sich nicht trauten, aus Furcht vor Verhaftung und Misshandlung das lokale Spital aufzusuchen. Einige von ihnen befinden sich wegen ihrer schweren Schussverletzungen in kritischem Zustand.

In der Nachbarprovinzu Ngaba (chin. Aba), in dem das Kloster Kirti, Ort der meisten Selbstverbrennungen, liegt, sollen mehrere hundert Mönche und Laien einen Sitzstreik veranstaltet haben. Sie entblössten ihren Oberkörper und rezitierten Gebete, später marschierten sie gegen die aufgebotenen Sicherheitskräfte weiter und riefen Parolen zur Freiheit Tibets und für die Rückkehr des Dalai Lama. Es ist nicht bekannt, ob dieser Protest niedergeschlagen wurde.

Eine grosse Zahl von Opfern soll es auch in der Stadt Serthar, Präfektur Kardze (heutige chinesische Provinz Sichuan), gegeben haben. In Serthar, das schon im Oktober Schauplatz eines Protestes wurde [vergl. Tibet-Information vom 4. Oktober 2011; UM], sind nach Meldung von Augenzeugen bis zu 5 Tibeter erschossen worden, weitere 10 seien verwundet und etwa 40 verhaftet worden. Die Proteste begannen am 23. Januar, als im Ort Plakate gesehen wurden, die die offiziell verbotene tibetische Nationalflagge, Parolen für die Freiheit Tibets und die Rückkehr des Dalai Lama zeigten und ankündigten, dass weitere Selbstverbrennungen folgen würden, wobei die Leichname nicht in die Hände der Polizei fallen dürften.

Am 24. Januar versammelten sich etwa 300 Tibeter vor der örtlichen Polizeistation von Sertar. Die Sicherheitskräfte hätten wahllos in die Menge geschossen. Niemand traue sich mehr auf die Strasse, da auf alle Menschen, die sich dort bewegen, geschossen werde. Alle Strassenkreuzungen seien von Sicherheitskräften besetzt. Hotels, Geschäfte und öffentliche Einrichtungen seien geschlossen. Der Ort stehe praktisch unter Kriegsrecht mit einer Ausgangssperre.

Die offizielle Nachrichtenagentur Xinhua gab schlussendlich die Unruhen zu und sprach von einem „Mob“, der die Polizeistation und eine Bank zu stürmen versuchte. Die Sicherheitskräfte hätten erst zu den Waffen gegriffen, als alle anderen Versuche fehlschlugen, wobei es zwei Todesopfer gab. Der Dalai Lama und Organisationen im Exil hätten diese „vorbereitete und organisierte Gewalt“ zu verantworten.

Quellen: Tibetan Center for Human Rights and Democracy TCHRD; Phayul; Radio Free Asia RFA; Der Standard (Österreich)

 

16. Januar 2012
Weitere Selbstverbrennung in Tibet – Polizei erschiesst Protestierende
Am 14. Januar kam es wiederum zu einer Selbstverbrennung in Ngaba, das schon vorher Schauplatz von 11 Selbstverbrennungen war.

Ein tibetischer Laie, dessen Namen und Alter unbekannt sind, erlag noch am Ort seinen Brandverletzungen. Nach Berichten von Augenzeugen löschte zwar die herbeigeeilte Polizei die Flammen, habe aber während des Löschens mit einem Schlagstock auf die Person eingeprügelt.

Als sich daraufhin etwa 700 aufgebrachte Tibeter versammelten und die Herausgabe des Leichnams forderten, setzte die Polizei Tränengas und Schusswaffen ein. Während ICT berichtet, der Protest habe sich am Ort der Verbrennung zugetragen, schildert Phayul die lokale Polizeistation als Ort des Aufruhrs.

Auch gehen die Berichte auseinander, was die Opfer angeht. Laut ICT starben zwei Tibeter durch die Schüsse, während Free Tibet Campaign von einer weiteren getöteten Tibeterin berichtet. Übereinstimmend berichten Augenzeugen auch von einem „starken Gas“, das eingesetzt wurde, um die Protestierenden zu zerstreuen, worauf „viele zu Boden fielen“ und von Sicherheitskräften verprügelt wurden. Es soll weitere Verletzte gegeben haben, wobei unklar ist, ob durch Schüsse, Schläge oder durch das Gas. Auch sollen zahlreiche Personen verhaftet worden sein.

China diskreditiert Tibeter, die sich selbst verbrannten
Eine neue Erklärungsvariante für die Welle der Selbstverbrennungen wurde in den letzten Tagen von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua verbreitet. Während früher behauptet wurde, die Selbstverbrennungen würden durch den Dalai Lama und die tibetische Regierung im Exil gelenkt, zitiert Xinhau nun einen Tibetologen des Forschungszentrums für Tibetologie in der Provinz Sichuan mit einer neuen Sicht auf das Problem. Dieser sagte, es handele sich dabei um Personen, „die früher für Vergehen bestraft wurden, zum Beispiel für Unzucht, Glücksspiele und Einbruch, oder die Schulden wegen Glücksspielen haben.“

Quellen: Phayul; International Campaign for Tibet ICT, Free Tibet Campaign

 

10. Januar 2012
Die 15. Selbstverbrennung in Tibet
Nur zwei Tage nach den Selbstverbrennungen zweier Tibeter in Ngaba [vergl. Tibet-Information vom 9. Januar 2012; UM] setzte sich am 8. Januar der etwa 40-jährige Sonam Wangyal, ein hoch geachteter reinkarnierter Mönch, in Brand und starb auf der Stelle. Dieses ist der 15. Fall seit Beginn der Serie vor fast einem Jahr.

Sonam Wangyal, auch kurz Sopa genannt, trank Kerosin und verteilte den Rest auf seiner Kleidung, bevor er sich vor einer Polizeistation in Darlag in der Region Golog in Nordost-Tibet anzündete. Während er in Flammen stand, rief er Parolen zur Freiheit Tibets und ein langes Leben für den Dalai Lama. Er hinterliess ein Schriftstück, auf dem er mitteilte, er tue dieses nicht „zum persönlichen Ruhm, sondern für Tibet und für das Glück der Tibeter.“ Er ergänzte unter anderem: „Die Tibeter sollten in ihrer Entschlossenheit nicht nachlassen. Die Tage der Freude werden sicher kommen.“

Nachdem Sicherheitskräfte die verbrannte Leiche entfernt hatten, versammelten sich hunderte von Tibetern, um die Herausgabe zu verlangen. Später hielten dort etwa 2‘000 Menschen mit Kerzen eine Mahnwache ab, worauf ihnen die Polizei den Leichnam übergab.

Nach Informationen von RFA sind die Sicherheitskräfte in der Region Golog massiv verstärkt worden, nachdem Plakate auftauchten, die Sopas Tat loben und zu einem Boykott chinesischer Waren aufrufen. Auch werden in den kommenden Tagen tausende von Tibetern zu einer Gedenkfeier in seinem Kloster erwartet.

Beide Tibeter, die sich am 6. Januar anzündeten, sind verstorben
Die Namen der beiden Tibeter werden mit Tsultrim und Tenyi angegeben. Beide seien etwa 20 Jahre alt gewesen. Tenyi starb noch am gleichen Tag, Tsultrim einen Tag später.

Als Zeichen der Wertschätzung und Trauer waren alle tibetischen Läden in Ngaba am Tag darauf geschlossen.

Quellen: Phayul; Radio Free Asia RFA

 

9. Januar 2012
Wieder Selbstverbrennungen in Tibet
Am 6. Januar haben sich zwei weitere Personen in Ngaba, dem Ort der meisten Selbstverbrennungen seit letztem Jahr, in Brand gesetzt. Es handelt sich um die 13. und 14. Fälle seit Beginn der Serie vor fast einem Jahr.

Die Namen der beiden Männer sind nicht bekannt. Einer der beiden sei ein Mönch gewesen, der andere ein Laie. Beide zündeten sich auf einer Hauptstrasse in Ngaba, nahe des Klosters Kirti, in Brand. Sie hätten die Hände zu einer Gebetsgeste geformt und sich dem Kloster zugewandt, dabei Parolen für die Freiheit Tibets und die Rückkehr des Dalai Lama gerufen.

Sicherheitskräfte hätten die Flammen gelöscht und beide abtransportiert. Über ihr Schicksal ist nichts bekannt.

Der Vorfall wurde durch einen Tibeter aus der Region bestätigt, der sich derzeit zur Kalachakra-Zeremonie in Bodh Gaya in Nordindien aufhält und telefonisch Kontakt zu Angehörigen in Ngaba hatte.

Am Ort der Erleuchtung Buddhas hält sich auch der Dalai Lama auf, der die religiösen Belehrungen zur Kalachakra-Zeremonie gibt. Nach Angaben des Pilgerbüros in Bodh Gaya sind dort über 9‘000 Tibeter und schätzungsweise 1‘200 chinesische Buddhisten registriert.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia