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Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft
zusammengestellt von Dr. Uwe Meya

19. Dezember 2013
Weitere Selbstverbrennung in Tibet
Am Nachmittag des 19. Dezember hat sich der 42-jährige Mönch Tsultrim Gyatso in Amchok, Präfektur Malho in der chinesichen Provinz Gansu, selbst verbrannt. Er war Mönch im Kloster Amchok. Nach Berichten von Augenzeugen starb er auf der Stelle. Anderen Mönchen und zufällig anwesenden Laien gelang es, seinen Leichnam vor Eintreffen von Polizei in das Kloster zu bringen. Dort versammelten sich über 400 Mönche für die Totenrituale.

Tsultrim Gyatso hinterliess Notizen in Versform, die TCHRD nur teilweise übersetzen konnte, weil nicht alle leserlich waren. Darin fordert er die Rückkehr des Dalai Lama, die Freilassung des Panchen Lama und Massnahmen zum Wohlergehen für alle Tibeter, beklagt aber auch die rücksichtlose Ausbeutung von Bodenschätzen durch China und die drakonischen Unterdrückungsmassnahmen.

Damit steigert sich die Zahl der Selbstverbrennungen seit 2009 auf insgesamt 125.

Tibetischer Gelehrter in Haft zu Tode geprügelt
Am 17. Dezember starb der Mönch Ngawang Jamphel, 45, in der Haft in Lhasa, mutmasslich durch erlittene Misshandlungen. Er war am 23. November mit zwei weiteren Mönchen festgenommen worden, als sie ihre Ferientage in Lhasa verbrachten.

Ngawang Jamphel war im Kloster Tarmoe im nordtibetischen Bezirk Driru ein sehr angesehener buddhistischer Gelehrter. Driru war seit Oktober Schauplatz mehrerer Proteste, Verhaftungen und „Umerziehungskampagnen“, nachdem sich Anwohner den erzwungenen Loyalitätskundgebungen für China verweigert hatten [vergl. Tibet-Informationen vom 8. und 9. Oktober sowie 11. November 2013; UM].

Sein Leichnam wurde am 17. Dezember der Familie übergeben, die in Lhasa die Einäscherung durchführte. Nach Angaben von Familienmitgliedern ist die erlittene Gewalt während der Haft so gut wie sicher die Todesursache, da er sich bei der Verhaftung in ausgezeichnetem Gesundheitszustand befand. Das Schicksal der beiden anderen verhafteten Mönche ist unklar. Die Behörden verboten den Familienangehörigen, über seinen Tod zu sprechen. Würden diese Nachrichten ausserhalb Tibets verbreitet, drohe ihnen „das gleiche Schicksal“.

Ngawang Jamphel hatte zwischen 1989 und 2007 im indischen Exil höhere buddhistische Studien betrieben und mit dem Titel eines Geshe, vergleichbar mit Bachelor, abgeschlossen. Nur ein Jahr nach seiner Rückkehr nach Tibet wurde er wegen „Verrats von Staatsgeheimnissen“ verhaftet und verbrachte 2 Jahre in Haft. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis unterrichtete er Mönche und Laien im Kloster Tarmoe in buddhistischer Dialektik und beteiligte sich an zahlreichen sozialen Initiativen, wie z.B. dem Schlichten von Streitigkeiten oder Massnahmen, Jugendliche vom Alkohol oder Glücksspiel abzuhalten. Sowohl im Kloster als auch im Dorf war er wegen seiner Kenntnisse der buddhistischen Lehre hoch angesehen.

Das Kloster Tarmoe wurde gleich nach der Verhaftung von Sicherheitskräften durchsucht und ist seitdem geschlossen. Als die Mönche sich weigerten, die Schlüssel zu ihren Mönchszellen auszuhändigen, wurden die Türen aufgebrochen und zahlreiche Gegenstände wie Laptops, Mobiltelefone, Satellitenschüsseln, aber auch Fotografien und andere persönliche Habseligkeiten mitgenommen. Regierungskader verlangten, dass alle Mönche des Klosters, die sich zu buddhistischen Studien im Ausland oder in den benachbarten Provinzen aufhalten, unverzüglich zürückgerufen werden, und dass alle Mönche unter 17 Jahren aus dem Kloster fortgewiesen werden. In zwei benachbarten Klöstern wurden insgesamt 8 Mönche verhaftet.

Die Verhaftung von Ngawang Jamphel ist nur eine weitere in der langen Reihe von Verhaftungen seit 2008, die vor allem auf gut ausgebildete Tibeter abzielt. Damit sollen vor allem die möglichen Wortführer von Protesten zum Schweigen gebracht werden. Mönche, die sich im indischen Exil oder in Nachbarprovinzen weitergebildet haben, gelten als besonders gefährlich und sind Ziel strikter „Umerziehungsmassnahmen“. Driru gilt laut Regierungsquellen generell als „instabile“ Region und soll vordringlich „befriedet“ werden, um „negative Folgen“ für andere Regionen in Tibet zu verhindern.

Quellen: Phayul; Radio Free Asia RFA; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

5. Dezember 2013
30-jähriger Tibeter verbrennt sich
Am späten Nachmittag des 3. Dezember hat sich der 30-jährige Tibeter Kunchok Tseten in der Ortschaft Meruma in der osttibetischen Präfektur Ngaba selbst verbrannt. Er setzte sich mitten im Ort in Brand und soll, Parolen für ein langes Leben des Dalai Lama und die Wiedervereinigung aller Tibeter rufend, nach wenigen Schritten zusammengebrochen sein. Dabei habe er nach Berichten von Augenzeugen noch seine Hände zur Gebetshaltung geformt. Schon vor längerer Zeit habe er Freunden gegenüber bemerkt, er könne die „Grausamkeiten der chinesischen Regierung nicht mehr ertragen“.

Polizisten auf einer Routinepatrouille hätten sofort seinen brennenden Körper umringt, um zu verhindern, dass Tibeter diesen wegtrugen. Nach einem Gerangel mit den anwesenden Tibetern wurde sein Körper schliesslich von der Polizei abtransportiert. Er sei dabei noch am Leben gewesen, aber nach Angaben der Polizei auf dem Weg in ein Spital verstorben. Ohne die Angehörigen zu informieren, wurde sein Leichnam kremiert und die Urne am nächsten Tag einem Verwandten übergeben.

Mehrere Tibeter, die an dem Zusammenstoss mit der Polizei beteiligt waren, wurden festgenommen. Auch nahm die Polizei kurz darauf seine 28-jährige Frau und mehrere Verwandte fest. Kunchok Tseten hinterlässt zwei Kinder im Alter von 3 und 4 Jahren.

Die Polizei konfiszierte alle Mobiltelefone der Zeugen der Selbstverbrennung, ordnete die Schliessung alle Geschäfte und Restaurants in Meruma an und schaltete das Internet und Mobilfunknetz ab.

Neue Technolgie für Internetüberwachung in China
Die Tsinghua-Universität in China hat eine neue Technologie entwickelt, mit der sich sämtliche Internetkommunikation in den Sprachen der „ethnischen Minderheiten“ kontrollieren lässt. Diese Technologie schliesst damit eine Schwachstelle in der ohnehin schon umfassenden Internetkontrolle in China. Meistens waren lokale chinesische Kader, die mit der Kontrolle beauftragt waren, nicht der lokalen Sprachen wie Tibetisch oder Uigurisch mächtig.

Professor Ding Xiaoqing, die das Entwicklungsteam leitete, präsentierte die neue Technologie der Öffentlichkeit und erklärte, dass diese auch über das Internet geführte Telefongespräche, Textnachrichten und in Abbildungen und Grafiken eingebettete Mitteilungen in zahlreichen nicht-chinesischen Sprachen entzifferen könnte. Ausser Tibetisch und Uigurisch beherrsche das System die Sprachen aller grösseren ethnischen Minderheiten in China, dazu habe man auch Arabisch und Japanisch eingeschlossen. „Mittels dieser Technologie können sie [die Überwacher; UM] Informationen in Echtzeit und aus erster Hand erhalten. Sie können auf ein System zurückgreifen, das mehrere Sprachen gleichzeitig beherrscht. Eine immer grössere Zahl an Informationen fliesst über das Internet in einem Format, das bisher die Überwachung der Regierung unterläuft. Die meisten Einrichtungen können heutzutage damit nicht umgehen“, führte Professor Ding aus. So könne man viel früher das Mass an „öffentlicher Aufregung“ bestimmen, das sich in einer anderen Sprache als Putonghua in Internet-Einträgen finden lässt.

Allerdings kann die neue Technologie Informationen in nur jeweils einer einzigen Sprache zu einer gegebenen Zeit entschlüsseln, und man ist nach wie vor auf Ermittler angewiesen, die der jeweiligen lokalen Sprache mächtig sind, um die herausgefilterten Informationen zu analysieren.

Quellen: Phayul; Radio Free Asia RFA; Reuters

 

28. November 2013
WHO verhindert Auszeichnung für tibetisches Spital im Exil
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat durch einen Einspruch die Verleihung einer Auszeichnung für Tuberkulose-Bekämpfung an das im indischen Exil gelegene Delek-Hospital verhindert. Das in Dharamsala gelegene Spital wurde im vergangenen Monat von Stop TB Partnership, einer internationalen Körpferschaft innerhalb der WHO, informiert, dass dem Delek-Hospital für ihr Programm zur Tuberkulosebekämpfung eine mit US-$ 65‘000 dotierte Auszeichnung verliehen wird. Das Geld wird von der Kochon Foundation, einer Nonprofit-Organisation in Südkorea, gestiftet, und die Gewinner der Auszeichnung werden von Stop TB Partnership ausgewählt.

Die Volksrepublik China erhob Einspruch mit dem Argument, dass das Programm des Delek-Hospitals wegen seiner Verbindungen zur Tibetischen Regierung im Exil eine „politische Organisation“ sei. Gemäss den Statuten der WHO muss die Generalsekretärin, Margaret Chan, der Selektion des Gewinners zustimmen. Diese verweigerte jedoch ihre Zustimmung. Frau Chan ist Bürgerin der Volksrepublik China. Ein Sprecher der WHO erklärte, dass diese Frage auch von der Rechtsabteilung der WHO erörtert worden sei, die zu dem Schluss kam, dass die WHO „keine Entität anerkennen kann, die nicht als legale Entität von der UNO anerkannt“ sei.

Das Delek-Hospital gab an, dass es als gemeinnützige Organisation in Indien registriert ist und weder finanziell noch administrativ von der Tibetischen Regierung im Exil abhängig ist. Das Kosten werden durch Spenden von NGOs und Individuen bestritten. Das Hospital behandelt sowohl Tibeter als auch Inder. Die Inzidenz von Tuberkulose ist unter Tibetern, die in Indien leben, mehr als doppel so hoch wie unter Indern. Nach eigenen Angaben werden zurzeit etwa 300 Patienten behandelt, und man rechnet mit 200 neuen Fällen pro Jahr. Im vergangenen Jahr sei die Erfolgsquote der Behandlungen bei über 90% gelegen.

Weitere Verhaftungen nach Selbstverbrennung am 11. November
Nach der jüngsten Selbstverbrennung [vergl. Tibet-Information vom 12. November 2013; UM] sind weitere 7 Tibeter im Bezirk Pema in der nordöstlichen Region Golok verhaftet worden, darunter 3 Mönche aus dem gleichen Kloster wie Tsering Gyal, der sich am Abend des 11. November in Flammen gesetzt hatte. Die Namen der Verhafteten, denen Mithilfe vorgeworfen wird, sind noch nicht bekannt, weil die Kommunikation nach Pema erschwert ist. Alle Internetverbindungen sind getrennt.

Informanten von RFA berichten, dass jeweils Gruppen von 15 Angehörigen der Sicherheitskräfte an allen Strassenkreuzungen postiert sind. Diese durchsuchen alle ortsfremden Tibeter, manchmal mit vorgehaltener Schusswaffe.

Das Haus der Familie von Tsering Gyal ist unter ständiger Bewachung. Kondolenzbesuche sind nicht erlaubt, und jede Bewegung der Familienangehörigen wird observiert. Der ältere Bruder von Tsering Gyal wurde zum Verhör auf die Polizeistation bestellt, aber danach wieder nach Hause gelassen. Funktionäre warnen vor härtesten Bestrafungen für Helfer oder Mitwisser, falls sich nochmals eine Selbstverbrennung ereignet.

Quellen: Wall Street Journal; Radio Free Asia RFA

 

12. November 2013
Die 123. Selbstverbrennung in Tibet
Am 11. November hat sich der 20-jährige Mönch Tsering Gyal im Bezirk Pema in der nordosttibetischen Region Golok selbst verbrannt. Nach Augenzeugenberichten zündete er sich abends im Stadtzentrum, unweit des Gebäudes der Bezirksregierung, an. In Flammen stehend, soll er noch gerufen haben: „Möge Seine Heiligkeit der Dalai Lama davon erfahren.“ Polizisten brachten ihn in das lokale Spital, wo er den Brandverletzungen kurz darauf erlag. Sein Leichnam wurde später in sein Kloster gebracht, wo die Totenzeremonien abgehalten wurden.

Phayul zitiert einen Informanten, dem Tsering Gyal seine letzten Worte vor der Selbstverbrennung mitgeteilt habe. Er soll gesagt haben: „Ich verbrenne mich heute für die Wiedervereinigung aller Tibeter. Meine einzige Hoffnung ist die auf Einigkeit unter allen Tibetern und die Erhaltung der tibetischen Religion und Tradition. Wenn uns das gelingt, werden alle Tibeter wieder vereinigt sein.“

Kurz nach der Selbstverbrennung wurden die Sicherheitskräfte im Bezirk Pema verstärkt und überwachen alle Bewegungen der Anwohner.

Mehr Tibeter verweigern das Hissen der chinesischen Flagge
Nach den Protesten und Verweigerungen von Einwohnern im Bezirk Driru in Zentraltibet, die chinesische Flagge auf ihren Häusern zu hissen [vergl. Tibet-Information vom 8. und 9. Oktober 2013; UM], meldet RFA ähnliche Vorkommnisse auch aus mehreren anderen Regionen in Tibet.

In der Region Dongkhor im osttibetischen Bezirk Kardze beriefen Regierungsangestellte dazu extra mehrere Versammlungen in verschiedenen Dörfern ein, um die Tibeter zum Flaggenhissen zu drängen. Angesichts der hartnäckigen Weigerung der Tibeter sollen die Kader darauf hingewiesen haben, dass diejenigen Ortschaften, in denen chinesische Flaggen gehisst wurden, in den Genuss „grosszügiger Regierungshilfen“ gekommen seien. Obwohl jeder seine Meinung kundtun dürfe, könne niemand die Folgen der anhaltenden Verweigerung vorhersagen.

Auch im Bezirk Dzatoe, wo im August Proteste gegen eine angeblich illegale Diamantenmine blutig niedergeschlagen wurden [vergl. Tibet-Information vom 26. August 2013; UM], mussten Regierungsangestellte intervenieren, um die Anwohner zum Hissen der Fahne zu bewegen. Wie ein Informant an RFA meldete, wurden in der Vergangenheit nur Familien, die an Protestaktionen teilgenommen hatten, dazu gezwungen. Ebenso wurden die Regierungsangestellten selbst dazu verpflichtet, auf ihren Häusern die chinesische Flagge zu hissen. Jetzt befürchten die Tibeter, dass dieses Gebot für alle gelten soll. Unabhängige Informanten bestätigten allerdings gegenüber RFA, dass trotzdem praktisch nirgendwo Flaggen auf Hausdächern zu sehen seien.

Lokale Kader führen Untersuchungsgruppe aus Beijing in die Irre
Eine Gruppe mit Reportern und Regierungsangestellten aus Beijing, die im Namen der Zentralregierung den Protesten gegen den Abbau von Bodenschätzen und die Umweltschäden im Bezirk Dzatoe nachgehen sollte, ist laut Informationen von RFA von lokalen Kadern absichtlich in die Irre geschickt worden.

Die Gruppe sei an Orte geleitet worden, an denen im Moment keine Abbautätigkeit stattfindet und auch keine Umweltschäden sichtbar seien, anstatt sie dorthin zu führen, wo die Proteste stattfanden. Ausserdem soll die Gruppe daran gehindert worden seien, mit den Betroffenen zu sprechen. Stattdessen wurden ihnen andere Tibeter als Gesprächspartner präsentiert, die die offizielle Linie der Bezirksregierung vertraten.

Nachfolger der entlassenen Dorfvorsteher verweigern ihr Amt
Im Oktober waren in Dzatoe drei Dorfvorsteher ihres Amtes enthoben worden, weil sie die brutale Niederschlagung der Proteste gegen die Diamantenmine kritisiert hatten [vergl. Tibet-Information vom 6. November 2013; UM]. RFA meldet jetzt, dass sich alle drei designierten Nachfolger geweigert hätten, ihr Amt anzutreten.

Quellen: Phayul; Radio Free Asia RFA

 

6. November 2013
Polizei beendet Sitzstreik von enteigneten tibetischen Familien
Unter Drohungen beendete die Polizei am 20. Oktober einen fast 5 Wochen währenden Sitzstreik von tibetischen Familien in Ngaba in der heutigen chinesischen Provinz Sichuan.

Mitglieder von insgesamt 16 Familien protestierten gegen eine bereits 27 Jahre (!) zurückliegende Enteignung ihres Landes, die ohne die versprochenen Entschädigungen vorgenommen wurde. Die Familienmitglieder hatten den lokalen Behörden am 14. September eine Petition zukommen lassen, in der sie an die Einlösung der damals bei der Enteignung gegebenen Versprechen auf Kompensation erinnern. Sie forderten, dass, wie seinerzeit versprochen, mindestens ein Mitglied pro Familie eine Arbeitsstelle erhält, alle Familien für die letzten 27 Jahre entschädigt werden und ihnen ein kleiner Teil des enteigneten Landes, das bis heute nicht genutzt wird, zurückgegeben wird. Um der Petition Nachdruck zu verleihen, begannen sie am 17. September auf dem enteigneten Land in selbst errichteten Zelten einen Sitzstreik rund um die Uhr. Die Polizei beendete die Aktion am 20. Oktober mit der Drohung, alle Streikenden zu inhaftieren. Sie würden die Bauarbeiten auf dem enteigneten Land stören, was jedoch nicht stimmte, da diese wegen des nahenden Winters ohnehin eingestellt waren.

Die betroffenen Familien hatten seit der Enteignung nicht weniger als 50 Petitionen an die Behörden gerichtet. Das Land war ursprünglich enteignet worden, weil dort ein Schlacht- und Kühlhaus gebaut werden sollten. Diese Pläne wurden aber nie verwirklicht. Erste Diskussionen der Betroffenen mit den Behörden über eine angemessene Entschädigung verliefen nach 1990 im Sande, nachdem der Bezirksvorsteher starb. Das Thema wurde 2006 wieder aufgenommen, doch die Behörden baten die Familien um einen Aufschub, weil durch die Diskussion um Entschädigung sonst andere Infrastrukurprojekte in Ngaba gefährdet seien. Nach den Unruhen im Jahre 2008 schwiegen die Familien wieder für einige Jahre, bis sich jetzt abzeichnete, dass die Behörden die Gelder anstatt für das Schlacht- und Kühlhaus für den Bau von lukrativen mehrstöckigen Wohnhäuser verwenden, von denen einige schon vor der Fertigstellung stehen.

Drei tibetische Dorfvorsteher entlassen
Im Bezirk Dzatoe teilte die lokale Regierung am 16. Oktober mit, dass drei tibetische Dorfvorsteher ihres Amtes enthoben werden. Die Entlassungen stehen im Zusammenhang mit den Protesten in Dzatoe gegen Minenarbeiten [vergl. Tibet-Informationen vom 26. August und 2. September 2013;UM]. Den drei Dorfvorstehern wird laut einem Informanten von RFA vorgeworfen, sie hätten die lokale Regierung wegen der Gewaltanwendung bei der Beendigung der Proteste kritisiert.

Sicherheitskräfte hatten den friedlichen Protest mit Schlägen, Tränengas und möglicherweise auch Tasern aufgelöst. Die Tibeter protestierten gegen den ihrer Meinung nach illegalen Abbau, da die Genehmigungen gefälscht seien.

Seit August sind in Dzatoe Sicherheitskräfte in grosser Zahl stationiert, die jede Bewegung der Bewohner kontrollieren. Als Zeichen der Loyalität verlangen die Behörden, dass die Bewohner auf ihren Hausdächern die chinesische Nationalflagge hissen.

Quellen:Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia RFA

 

14. Oktober 2013
Behörden-Erlass macht Tibeter zu „Gesellschaftlichen Gefangenen“
In der Präfektur Nagqu, in der der Unruhebezirk Driru liegt [vergl. Tibet-Informationen vom 8. und 9. Oktober 2013; UM], haben die Behörden den Status des „Gesellschaftlichen Gefangenen“ erfunden. Diesen erhalten Mönche und Nonnen, die die „Autonome Region Tibet“ (TAR) verlassen, um in den Nachbarprovinzen Gansu, Sichuan und Qinghai ihren religiösen Studien nachzugehen. Der Mangel an religiösen Lehrern in der TAR zwingt viele zu diesem Schritt.

Unter dem Status des „Gesellschaftlichen Gefangenen“ werden Mönche und Nonnen zwar nicht inhaftiert, dürfen aber die Region nicht mehr verlassen, müssen sich aber alle zwei bis vier Wochen auf der lokalen Polizeistation melden und werden nicht selten verhört und drangsaliert. Würden sie nochmals die TAR verlassen, so wird ihnen angedroht, würde dieses genauso wie ein illegaler Grenzübertritt nach Indien gewertet. Den Klöstern in der Region wird auferlegt, nicht mehr als 17 Novizen pro Jahr aufzunehmen.

Weitere Nachrichten über die Situation in Driru
In Driru wurden ein bekannter tibetischer Schriftsteller, der 27-jährige Tsultrim Gyaltsen, und sein Freund, der 26-jährige ehemalige Polizeioffizier Yugyal, verhaftet. Offiziere des „Büros für Öffentliche Sicherheit“ (PSB) erschienen am 11. Oktober nachts im Haus von Tsering Gyaltsen und verhafteten ihn, weil er „separatistischen Aktivitäten“ nachgegangen sei und die „öffentliche Sicherheit durch die Verbreitung von Gerüchten“ gefährdet habe. Yugyal, der vor einem Jahr die Polizei aus Ärger über die politische Überwachung verlassen hatte, wurde einen Tag darauf verhaftet.

Tsultrim Gyaltsen hatte die „Hochschule für Nationalitäten“ in Lanzhou besucht und dort chinesische Sprachwissenschaften studiert. Dort wurde er auch Herausgeber des jährlich erscheinenden Literaturjournals „Die Neue Generation“. Er war bekannt als Verfasser von prägnanten und oft respektlosen Essays und Blogs sowohl in tibetischer als auch chinesischer Sprache. Mit anderen Studenten hielt er Debattierrunden ab. Nur Monate vor seinem Abschluss wurde er – wohl aus politischen Gründen – von der Hochschule verwiesen und eröffnete nach der Heimkehr nach Driru ein Gästehaus.

Unterdessen wurde bekannt, dass in einem Nachbarbezirk von Driru, in Sog, Familien ebenfalls unter Drohungen gezwungen werden, die chinesische Flagge auf ihren Hausdächern zu hissen. Wer sich weigert, dem wird der Strom abgeschaltet. Wenn sich die Familien weiter weigern, wird ihnen wegen „politischer Vergehen“ Haft angedroht.

Polizei in Lhasa überwacht Tibeter aus Nagqu und kommuniziert mit geheimen Codes
TCHRD fiel ein Dokument in die Hände, in dem die Behörden von Lhasa den zahlreichen Polizeistationen in der tibetischen Hauptstadt detaillierte Instruktionen geben, wie sie Zugereiste aus der Präfektur Nagqu zu überwachen haben. Dazu müssen sich die Polizeistationen einer Geheimsprache bedienen.

Die Polizeistationen müssen alle Besucher aus der Präfektur Nagqu, die nach Lhasa einreisen oder sich dort schon aufhalten, rund um die Uhr überwachen und jede ihrer Bewegungen der nächsten Polizeistation melden, sobald sich die Tibeter innerhalb der Stadt bewegen. Tibeter aus Nagqu müssen in der Kommunikation als „männliche“ oder „weibliche Touristen“ bezeichnet werden. Kommen sie beispielsweise aus dem Bezirk Driru, dann werden sie „Touristen aus A“ bezeichnet, Tibeter aus Sog sind „Touristen aus B“. Sobald ein solchermassen überwachter Tibeter das Revier der benachbarten Polizeistation betritt, wird dieser gemeldet, diesem „Touristen Gastfreundschaft zu erweisen“.

Quellen:Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

9. Oktober 2013
Schüsse auf Tibeter – 60 Verletzte
Im Bezirk Driru ereigneten sich weitere Proteste [vergl. Tibet-Information vom 8. Oktober 2013; UM], wobei etwa 60 Tibeter durch Schüsse von Sicherheitkräften verletzte wurden. Die Proteste begannen, als Nachrichten von zwei Verhaftungen publik wurden. Um dagegen zu protestieren, hatten sich am 6. Oktober Tibeter in der Ortschaft Dathang versammelt, worauf etwa 300 Sicherheitskräfte das Feuer auf sie eröffneten.

Bereits am 3. September war der 68-jährige Dayang verhaftet worden, weil er bei einer Kulturvorstellung Parolen für die Freiheit Tibets rief und die Rückkehr des Dalai Lama forderte. Tanz- und Musikvorstellungen sind Teil der gegenwärtigen „Massenlinien“-Kampagne, bei denen die Tibeter chinesische Fahnen zu schwenken haben und „glücklich“ erscheinen sollen. Dayang konnte nach dem Protest zunächst in sein Haus zurückkehren, wurde aber mitten in der Nacht verhaftet. Erst mehrere Tage nach seiner Verhaftung erfuhren Angehörige, dass er im örtlichen Spital wegen Verletzungen behandelt wurde, die mutmasslich von Misshandlungen in der Haft herrühren. Am 7. Oktober wurde er in ein anderes Spital in Lhasa verlegt. Angehörige dürfen ihn nicht besuchen, und Details über seinen Zustand sind nicht zu erfahren.

Die zweite Verhaftung, die die Proteste auslöste, war die eines tibetischen Jugendlichen namens Dorje Dragtsel. Er war bekannt für seine Ablehnung gegen die die kommunistischen Kader, die die gegenwärtige Kampagne durchführen. Er war mit Freunden auf dem Weg in die Bezirksstadt Nagqu und verschwand dort spurlos.

Auch im Dorf Tsachu gab es etwa 100 Verletzte durch Schläge von Sicherheitskräften, als sich Dorfbewohner im Protest gegen die Verhaftung von Dayang versammelten. Nach Informationen von TCHRD dürfen die Bewohner, auch die Verletzten, nicht ihre Häuser verlassen.

Weitere Nachrichten über Protestaktion in Mowa
TCHRD erhielt weitere Einzelheiten über Verhaftungen und die Lage im Dorf Mowa nach dem Beginn der Proteste am 29. September [vergl. Tibet-Information vom 8. Oktober 2013; UM]. Das Dorf Mowa ist praktisch unter Hausarrest. Die Bewohner dürfen ihre Häuser nicht verlassen; nicht einmal, um sich um ihre Viehherden zu kümmern. Alle Kommunikationsleitungen, ob Mobiltelefonie oder Internet, sind blockiert. Alle Strassen sind gesperrt, und es ist niemandem erlaubt, in das Dorf zu reisen.

Einer der verletzten Tibeter, der 25-jährige Tsering Gyaltsen, der der Gruppe von 40 Tibetern angehörte, die nach den Ereignissen am 28. September eine Petition an die Behörden richtete [vergl. Tibet-Information vom 8. Oktober 2013; UM], wurde bei der Aktion von Sicherheitskräften eingekesselt. Nach Angaben von Augenzeugen sollen ihn Sicherheitskräfte als einen bekannten „Separatisten“ identifiziert und besonders schwer geschlagen haben. Erst einige Tage später, am 5. Oktober, erfuhren Angehörige, dass er sich wegen schwerer innerer Verletzungen in einem Spital in Lhasa befindet. Zwei Freunde machten sich auf den Weg, um ihn zu besuchen. Einer von ihnen, ein Tibeter namens Choezin, verschwand spurlos, nachdem er das Spital betreten hatte. Sein Freund, der ihn begleitete, fürchtet, dass er von Sicherheitskräften verhaftet wurde, die Tsering Gyaltsen dort bewachen.

Quellen:Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

8. Oktober 2013
Proteste gegen „Massenlinien“-Kampagne zur totalen Überwachung
Seit dem 28. September ereigneten sich im Bezirk Driru mehrere, teils gewaltsam niedergeschlagene Protestaktionen gegen die Kampagne zur totalen Überwachung und Kontrolle tibetischer Ortschaften. Die Proteste richteten sich gegen die Auflagen der sogenannten „Massenlinien“-Kampagne, die vom neuen Parteivorsitzenden Xi Jinping lanciert wurde [vergl. Tibet-Information vom 7. Juli 2013; UM].

Die Kampagne beinhaltet unter anderem die „Neun Dinge“, die jeder tibetische Haushalt besitzen muss: ein Portrait der chinesischen Führung, die chinesische Nationalflagge, Strassen, Wasser, Elektrizität, Radio und Fernsehen, Kommunikationsmittel, Zeitungen und Zugang zu Bibliotheken; sowie eine Reihe von Massnahmen zur politischen Überwachung der Haushalte und zur „Erhaltung der Stabilität“.

Am 28. September kam es zu einer ernsten Konfrontation mit Sicherheitskräften, als sich die Bewohner des Dorfes Mowa im Bezirk Driru, der Schauplatz von vier Selbstverbrennungen im vergangenen Jahr war, weigerten, auf den Hausdächern die chinesische Nationalflagge zu hissen und diese stattdessen in den nächsten Fluss warfen. Traditionell sind die Hausdächer den Gebetsfahnen vorbehalten. Nach unbestätigten Meldungen sollen Sicherheitskräfte Schüsse auf die protestierenden Tibeter abgegeben haben, die mit Stöcken und Steinen auf sie losgingen. Über Opfer ist nichts bekannt. Als sich die Nachrichten von dem Zusammenstoss verbreiteten, wollten 40 Tibeter aus benachbarten Dörfern eine Petition an die Behörden richten, von Gewalt abzusehen. Offiziere des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) nahmen die 40 Tibeter fest und sollen sie mit Schlägen traktiert haben.

Gleichzeitig drohten die Behörden allen Beteiligten mit empfindlichen Strafen. Ihre Kinder würden von der Schule verwiesen, kranke Familienangehörige würden nicht mehr medizinisch behandelt, und das Sammeln des Raupenkeulenpilzes würde verboten. Letzteres ist für die zwangsweise sesshaft gemachten Nomaden eine schmerzhafte Massnahme, da der Verkauf des Pilzes, der als Heilmittel verwendet wird und einen hohen Preis erzielt, ihre einzige Einkommensquelle ist.

Mit der Festnahme der 40 Tibeter eskalierte der Protest weiter, und etwa 1000 Tibeter hielten abends einen Hungerstreik vor dem Gebäude der Bezirksregierung ab, die schliesslich die verhafteten Tibeter freiliessen. Einige von ihnen sollen schwere Verletzungen davongetragen haben.

Am 29. September traten etwa 4000 Schüler in Driru in einen Streik, nachdem sie hörten, dass die Behörden Kinder aus den Familien der Protestierenden von der Schule verweisen wollten. Daraufhin wurden die Schulen geschlossen und der Unterricht nur für 60 Kinder von chinesischen Regierungsangestellten fortgesetzt.

Am 2. Oktober blockierten Tibeter in Driru die Zufahrsstrassen aus Protest gegen die Gewaltanwendung im Dorf Mowa. Danach gelang es jedoch Sicherheitskräften, die Verstärkung von anderen Regionen erhielten, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Sechs Kontrollpunkte wurden errichtet, und alle am Protest beteiligte Dörfer werden nun durch regelmässige Patrouillen überwacht. Am 4. Oktober konfiszierten Sicherheitskräfte die Mobiltelefone der Bewohner und löschten Fotografien der Protestaktionen. Viele Telefone seien bis heute nicht ihren Besitzern zurückgegeben worden.

Tibet auf dem Weg in den Polizeistaat?
Offizielle chinesische Medien berichteten im letzten Monat, dass über 60‘000 Kader zur Durchsetzung der diversen Kampagnen nach Tibet entsandt wurden, davon allein 18’00 nach Driru.

Über die Kampagne „Die Fundamente festigen – Nutzen für die Massen“, in der sich unter anderem Kader in Privatwohnungen einquartieren, hatte Human Rights Watch bereits in Sommer berichtet [vergl. Tibet-Information vom 7. Juli 2013; UM].

Seit Mai 2013 wird die Kampagne der „vereinten Haushalte“ betrieben. Demnach werden jeweils etwa 10 Haushalte mit unterschiedlichem sozio-ökonomischem Status zu einer Einheit zusammengefasst. In mindestens einem dieser Haushalte muss eine Person der Kommunistischen Partei angehören. Jeder Einheit wird ein „Inspektor“ zugeordnet, der ein besonderes Augenmerk auf Jugendliche und „problematische“ Mitglieder wie ehemalige politische Gefangene und Dissidenten richten soll. Auch sollen sich die Haushalte gegenseitig überwachen und verdächtige Tätigkeiten melden. In einem Bezirk in Shigatse wurden die Inspektoren mit Erkennungsmerkmalen wie roten Armbändern, Helmen, Trillerpfeifen, Taschenlampen, Stiefeln und Ausweisen ausgestattet. In einem Quartier von Lhasa wurden die Inspektoren auch aufgefordert, sich unter die Besucher von öffentlichen Orten wie Teehäusern zu mischen und verdächtige Aktivitäten umgehend der nächsten Polizeistation zu melden.

Insgesamt sind in den Bezirken von Lhasa und Shigatse bereits über 30‘000 Haushalte mit der Kampagne erfasst. Nach Einschätzung von TCHRD ist das Ausmass der Überwachung so übermächtig, dass sich viele Tibeter in ihr Schicksal ergeben und resignieren. Die Kampagne soll grössere Proteste wie etwa gegen die zwangsweise Räumung der Verkaufsstände auf dem Pilgerweg Barkhor, die einem Einkaufszentrum weichen sollen [vergl. Tibet-Information vom 22. Mai 2013; UM], im Keim erstickt haben.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

1. Oktober 2013
Vater von 3 Kindern verbrennt sich in Ngaba
Der 41 Jahre alte Sichung, Vater von 2 Kindern, hat sich am 28. September in der Ortschaft Thawa in der Präfektur Ngaba selbst verbrannt. Laut Augenzeugen verliess er am Nachmittag des 28. September das jährlich in der Ortschaft stattfindende Gebetsfest und ging zurück zu seinem Haus. Dann entzündete er eine Butterlampe vor einem Portrait des Dalai Lama. Kurz darauf wurde er vor dem Eingangstor seines Hauses in Flammen stehend gesehen und starb, nachdem er noch einige Schritte gelaufen war, auf der Stelle.

Als sich die Selbstverbrennung herumsprach und die Anwohner zu seinem Leichnam strömten, entwickelte sich eine Auseinandersetzung mit den Sicherheitskräften, die beim Gebetsfest ohnehin in grosser Zahl anwesend waren und die Anwesenden beobachteten. Die Sicherheitskräfte wollten den Leichnam entfernen und sollen den protestierenden Tibetern schon mit gezogenen Waffen gegenübergestanden haben, als im letzten Moment noch ein Kompromiss ausgehandelt wurde. Es wurde zugestanden, dass die Totenrituale noch in seinem Wohnhaus abgehalten werden durften. Später am Abend erschienen die Sicherheitskräfte ohne Vorankündigung und nahmen den Leichnam in einem Lieferwagen mit, der dann in Richtung Ngaba fuhr. Über den Verbleib des Leichnams ist nichts mehr bekannt.

Sichung hinterlässt seine Frau und drei Kinder. Er galt in der Region als ein sehr talentierter Schneider, der seine Kleider meist anlässlich von Festen verkaufte. Ein Freund berichtete, dass Sichung wenige Tage vorher ihm gegenüber beklagt habe, dass die Chinesen auf die Tibeter verächtlich herabschauten und sie nicht in Frieden leben lassen wollten.

Gedenk-Konferenz über berühmten Schriftsteller verboten
Die Behörden in der Präfektur Ngaba, die Schauplatz einer grossen Zahl von Selbstverbrennungen war, haben eine Konferenz zum Gedenken an den Schriftsteller Gendun Choephel (1903-1951) verboten. Geplant wurde diese Konferenz gemeinsam von einer Gruppe von Mönchen aus Klöstern der Region Ngaba und Laien, die auch die nötigen Geldmittel aufgetrieben hatten. Diese Konferenz sollte am 24. August in einem Restaurant stattfinden. Die Teilnehmer wollten das Lebenswerk von Gendun Choepel und seinen Einfluss auf die heutige Zeit diskutieren. Wenige Tage vor der Konferenz wurde diese aber von den lokalen Behörden verboten.

Der Hintergrund des ausgesprochenen Verbots ist nicht klar. Gendun Choephel galt als brillianter, aber auch kontroverser Schriftsteller, der in Tibet und Indien wirkte. Er kritisierte das tibetische Establishment und wurde deswegen sogar vom offiziellen China als „progressive Gestalt“ der zeitgenössischen tibetischen Kultur gewürdigt. Auf der anderen Seite unterstützte er aber auch die tibetische Unabhängigkeit.

Das Verbot der Konferenz folgt auf eine Serie von Verhaftungen tibetischer Schriftsteller, Musiker und Künstler in den vergangenen Monaten.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; freetibet.org; Radio Free Asia RFA

 

2. September 2013
Verschärfung der Repression nach Geburtstagszeremonie für Dalai Lama
Nach der gewaltsam aufgelösten Geburtstagszeremonie für den Dalai Lama am 6. Juli [vergl. Tibet-Information vom 11. Juli 2013; UM] haben die Behörden mit einem 5-Punkte-Plan die Repression in Tawu verschärft. Am 6. Juli hatten Sicherheitskräfte mit Tränengas und scharfer Munition eine Gruppe von mehreren hundert Tibetern angegriffen, die am Fusse des Berges Machen Pomra eine religiöse Zeremonie abhielt. Nach letzten Meldungen wurden mindestens 14 Personen verletzt.

Jetzt wurden Massnahmen veröffentlicht, die der „Wahrung der Stabilität“ dienen sollen. Abgesehen von der Eröffnung von 5 neuen Polizeistationen in der Region wurde ein 5 Punkte umfassender Plan bekannt gegeben, der vor allem auf die Arbeit von Regierungs- und Parteikadern auf Bezirks- und Gemeindeebene abzielt.

In Zukunft sollen alle Kader entfernt werden, die möglicherweise Sympathie mit den tibetischen Anliegen zeigen könnten. Diese sollen durch erfahrene Kader ersetzt werden, und unerfahrene Kader erhalten zunächst eine Schulung in anderen Regionen über „stabilitätswahrende“ Massnahmen, bevor sie ihr Amt antreten. Alle 3 Jahre sollen die Kader in eine andere Region rotieren. Besonderes Gewicht wird auf die politische Einstellung der Kader gelegt; solche, die „separatistische Absichten“ hegen, werden bestraft und aus dem Amt entfernt. Jeder Kader muss mindestens eine Veranstaltung pro Woche in der betreffenden Region organisieren, und zweimal im Jahr muss dort eine grössere Umerziehungsveranstaltung stattfinden, zu der mindestens 3 Kader aus anderen Regionen eingeladen werden müssen.

Lokale Kader müssen in speziell problematischen Gemeinden auch für jeweils mindestens 10 Tage mit der lokalen Bevölkerung „leben, essen und arbeiten“, was bedeutet, dass sich „Arbeitsteams“ aus 2 bis 4 Personen in tibetische Haushalte einquartieren. Alle Bewohner einer Gemeinde werden in „Einheiten“ eingeteilt und gezielt und systematisch von Arbeitsteams besucht und betreut.

Minenarbeiten nach gewaltsamer Auflösung des Protests wieder aufgenommen
Nachdem ein Protest von Tibetern gegen eine illegale Diamentenmine in Dzatoe gewaltsam aufgelöst wurde [vergl. Tibet-Information vom 26. August 2013; UM], wurden an einer von zwei Schürfstellen die Arbeiten wieder aufgenommen, während an der zweiten Stelle noch keine Arbeiter gesehen wurden.

Beim gewaltsam aufgelösten Protest waren insgesamt 8 Tibeter festgenommen worden. Sechs von ihnen wurden inzwischen wieder freigelassen, aber mit der strikten Auflage, die Gegend nicht zu verlassen. Die 2 Tibeter, die weiter in Haft sind, dürfen von ihren Angehörigen nicht besucht werden. Für alle Bewohner der Region wurden strikte Auflagen erlassen, die ihre Bewegungsfreiheit beeinträchtigen. Zwei weitere Tibeter, die zu den Anführern des Protests zählen, sind vermutlich geflohen. Der Tibeter, der bei der Auflösung des Protests einen Selbstmordversuch unternahm, ist inzwischen ausser Lebensgefahr, aber noch in Spitalbehandlung.

Die Protestierenden wollen jedoch nicht aufgeben. Wie RFA erfuhr, wollen sie den Protest in Form einer Petition nach Beijing tragen, wenn die Arbeiten weiter gehen und die Verhafteten nicht entlassen werden. Dabei berufen sich die Tibeter auf frühere Reden von Regierungsmitgliedern, die dem Umweltschutz einen hohen Rang einräumen.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

26. August 2013
Tränengas und Schläge gegen Umweltaktivisten
Am 16. August beendeten paramilitärische Kräfte gewaltsam einen Protest gegen eine illegale Diamentenmine im Bezirk Dzatoe in der Präfektur Yushu im Norden Tibets. Mehrere Hundert Tibeter hatten sich dort seit dem 13. August zu einem friedlichen Protest versammelt, nachdem chinesische Arbeiter angerückt waren und mit den Abbauarbeiten zu beginnen. Angeblich seien die Genehmigungen für den Abbau gefälscht gewesen. Die Angehörigen der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) warfen Tränengas in die Gruppe der protestierenden Tibeter und traktieren sie mit Schlägen, angeblich auch mit Tasern. Fotos der Aktion sind zu sehen unter: http://www.flickr.com/photos/freetibetorg/sets/72157635099223268/

Die Protestierenden hatte ein grosses Banner mit einem Bild des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping und einem Ausschnitt aus seiner Rede über die Bedeutung des Umweltschutzes ausgehängt, das von den PAP-Einheiten sofort entfert wurde. Ein Tibeter versuchte nach Angaben von Augenzeugen, Selbstmord zu begehen, wurde in einem Fahrzeug abtransportiert und sei jetzt im Spital. Ein weiterer Tibeter verschwand spurlos; vermutlich wurde er festgenommen.

Hintergrund: Das San Jiang Yuan Naturschutzgebiet
Der Bezirk Dzatoe liegt in dem sogenannten San Jiang Yuan Three Rivers Headwaters Nature Reserve (SNNR), das im Jahre 2000 eingerichtet wurde, um die Region um die Quellen der drei grossen Ströme Mekong, Yangtse und Gelber Fluss zu schützen. Eine Gedenktafel des damaligen Präsidenen Jiang Zemin ist am Eingang angebracht, in der dieser die Bedeutung der Region für das ökologische Gleichgewicht beschwört. Drei Jahre nach der Einrichtung wurde die Region von einem regionalen zu einem nationalen Naturschutzgebiet aufgewertet. Noch im Mai d.J. hatte der jetzige Staatspräsident Xi Junping gesagt, dass wirtschaftliches Wachstum nicht auf Kosten der Umwelt gehen dürfe, und wer dagegen verstosse, würde „lebenslänglich“ dafür zur Rechenschaft gezogen.

Die SNNR verfügt über einen grossen Reichtum an Pflanzen und Tierarten, von denen mehrere als bedroht gelten, wie die Tibetische Antilope, Wildesel und Schwarzhalskraniche. Auch befinden sich dort Vorkommen seltener Heilpflanzen. Die dort entdeckten Goldvorkommen zählen zu den grössten in China. Die Kehrseite der Errichtung der SNNR ist, dass mehrere zehntausend Nomaden angeblich im Namen des Umweltschutzes zwangsweise umgesiedelt wurden. So hat kann die Regierung mit der Sesshaftmachung der Nomaden eine stärkere soziale Kontrolle durchsetzen und hat freie Hand, die Bodenschätze auszubeuten. Beispielsweise wurden die Grenzen der SNNR willkürlich geändert, um den Goldabbau zu ermöglichen.

Seit 2009 protestieren Tibeter in der Region gegen die illegale Ausbeutung von Bodenschätzen und die durch Chemikalien verursachte Umweltverschmutzung, die auch zu einer Erhöhung der Krebserkrankungen, Fehlgeburten und Kindsmissbildungen geführt haben soll. Im Mai 2009 gingen Sicherheitskräfte im Bezirk Surmang mit Tränengas und auch scharfer Munition gegen protestierende Tibeter vor. Danach wurden die Tibeter gewarnt, dass ihr Engagement als politisches Vergehen gedeutet würde.

Laut einer Petition, die die Bewohner von Surmang im März 2010 in Beijing einreichten, soll seit 2003 ein chinesischer Geschäftsmann namens Zheng Qingfeng über Jahre hinaus unter Missachtung der Gesetze zum Umweltschutz rücksichtslos Bodenschätze ausgebeutet haben. Die lokalen Behörden hätten mit ihm unter eine Decke gesteckt und die eklatanten Verstösse geduldet.

Quellen: freetibet.org; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

19. August 2013
Nach Selbstverbrennung der Ehefrau: Todesurteil für Mann
Ein Gericht in der Präfektur Ngaba hat den 32-jährigen Dolma Kyab zum Tode verurteilt, weil er im März d.J. seine Ehefrau umgebracht haben soll. Wie die offiziellen chinesischen Medien berichten, soll er am 11. März die 29-jährige Kunchok Wangmo erwürgt haben. Danach habe er die Leiche verbrannt, um die Spuren zu verwischen und eine Selbstverbrennung vorzutäuschen. Der Tat sei eine Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten über die angebliche Trunksucht von Dolma Kyab vorausgegangen.

Nach Informanten von TCHRD soll sich Kunchok Wangmo aber am 13. März aus freien Stücken auf der Hauptstrasse von Dzoege in der Präfektur Ngaba selbst verbrannt haben. Das Verhältnis der Eheleute sei nie von Streit getrübt gewesen. Selbst die offizielle chinesische Nachrichtenagentur gibt an, dass der Strafverteidiger von Dolma Kyab einwandte, dass auch die Eltern von Kunchok Wangmo nicht an einen Mord glaubten. Dolma Kyab war einen Tag nach der Selbstverbrennung seiner Frau festgenommen worden, weil er sich geweigert hatte, eheliche Probleme als Gründe anzugeben [vergl. Tibet-Information vom 25. März 2013; UM].

Das Todesurteil gegen Dolma Kyab ist das erste seiner Art im Zusammenhang mit Selbstverbrennungen. Unklar ist, wer für seine alte Mutter und die 8-jährige Tochter sorgt.

In den vergangenen Monaten hat es mehrere Versuche seitens der Behörden gegeben, Hinterbliebene mit dem Angebot von Geld zum Schweigen zu bringen und dazu zu veranlassen, die Selbstverbrennungen irgendwelchen persönlichen Problemen anzulasten. Donhue, der Ehemann von Dolkar Tsoe, die sich am 7. August 2012 selbst verbrannte [vergl. Tibet-Information vom 9. August 2012; UM], wurde inhaftiert, nachdem die Geldannahme verweigert hatte. Auch den Eltern von Sangay Gyatso, der sich am 6. Oktober 2012 selbst verbrannt hatte [vergl. Tibet-Information vom 17. Oktober 2012; UM] wurde eine grosse Geldsumme angeboten, wenn sie eine Erklärung unterzeichnen, dass die Selbstverbrennung keine politischen Hintergründe habe. Im Januar 2012 hatte ein Mitarbeiter des Forschungszentrums für Tibetologie in der Provinz Sichuan angegeben, bei den Selbstverbrennungen es handele sich um Personen, „die früher für Vergehen bestraft wurden, zum Beispiel für Unzucht, Glücksspiele und Einbruch, oder die Schulden wegen Glücksspielen haben.“ [vergl. Tibet-Information vom 16. Januar 2012; UM]

In diesem Jahr war auch ein signifikanter Anstieg von Verhaftungen von Tibetern zu verzeichnen, denen in irgend einer Art „Mithilfe“ bei Selbstverbrennungen vorgeworfen wurde. Allein im Februar wurden in der nördlichen Provinz Qinghai 70 Tibeter verhaftet, von denen 12 mittlerweile verurteilt wurden. Die Länge der Haftstrafen geht bis 10 Jahre.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

14. August 2013
Sicherheitsschleusen bei Festival in Drepung
Beim jährlichen Shoton-Festival mit Enthüllen einer grossen Thangka (Rollbild) im Drepung-Kloster nahe Lhasa zeigen Fotos, die heimlich von Tibetern aufgenommen wurden, eine starke Präsenz von Militär sowie Sicherheitsschleusen und Detektoren, die die Besucher passieren mussten.

Auf den unten stehenden Fotos ist deutlich zu sehen, wie Sicherheitskräfte lückenlos aneinander stehen und den Strom der Pilger und Schaulustigen abgrenzen. Auch sind die Sicherheitsschleusen am Klostereingang zu sehen, genauso wie sie auf Flughäfen errichtet sind. An ihrem Ende mussten die Besucher, die in Einerreihen durch die Schleusen geleitet wurden, Detektoren passieren.

Shoton ('Yogurt') FestivalShoton ('Yogurt') Festival

Fotos der chinesischen Staatsmedien zeigen lediglich den Strom der Pilger und die Enthüllung der Thangka, vermieden es aber, Sicherheitskräfte in grösserer Zahl abzubilden. Andererseits suggeriert die grosse Menge der Pilger eine starke Entschlossenheit der Tibeter, trotz Furcht erregender Militärpräsenz ihren religiösen Traditionen nachzugehen.

Das Shoton (Joghurt) Festival gründet in der Tradition, aus der Sommerpause zurückkehrenden Mönchen Joghurt zu offerieren. Das Festival wird begleitet von Musikdarbietungen.

Homepage des Dalai Lama gehackt
Die Internet-Sicherheitsfirma Kaspersky Lab berichtet, dass die chinesischsprachige Homepage des Dalai Lama Ziel einer Attacke geworden ist. Diese Attacke soll sich am 12. August ereignet haben, und der Schade ist noch nicht behoben, so dass derzeit vor Besuchen gewarnt wird.

Wenn Besucher diese infizierte Homepage aufsuchen, kann auf ihren Computern ein sogenannter Trojaner installiert werden. Der Trojaner installiert ein Schadprogramm auf den betroffenen Computern, mit dem diese für Zugriffe von aussen geöffnet werden.

Die englischsprachige Homepage des Dalai Lama soll nicht betroffen sein. Hinter solchen Attacken wird immer wieder die chinesische Regierung, oder von ihr beauftragte Hacker, vermutet. Betroffen sind von der gegenwärtigen Attacke nur wenige Computer, nämlich von solchen Personen, die an Nachrichten des Dalai Lama in chinesischer Sprache interessiert sind. Das Ziel dieser Art von Attacken wird im Computer-Jargon - analog zur Tränke von Tieren - als „Wasserloch“ bezeichnet, also ein Ort im Internet, der häufig und regelmässig von einem eng umschriebenen Personenkreis aufgesucht wird.

Quellen: International Campaign for Tibet; Reuters

 

6. August 2013
Zweite Selbstverbrennung eines Tibeters in Nepal
Am heutigen Morgen (Ortszeit) verbrannte sich der Mönch Karma Nyedon Gyatso in der Nähe der Stupa von Bodnath in Kathmandu. Augenzeugen berichten, dass sie den Mönch mit gekreuzten Beinen sitzen sahen, als Flammen an ihm hochloderten. Er soll schweigend dort gesessen haben, bis ihn jemand mit Wasser übergoss und eine weitere Person die Flammen mit einem Feuerlöscher bekämpfte, jedoch verstarb er auf der Stelle. Karma stammt aus dem zentraltibetischen Damshung und war Ende Januar 2012 im Flüchtlingszentrum in Kathmandu angekommen. Nepalische Polizisten trugen den Leichnam weg.

Chinesischer Schlägertrupp überfällt tibetisches Dorf
Der Vorfall ereignete sich am 17. Juli im Kontext einer jahrelangen Feindschaft zwischen zwei benachbarten Dörfern in der Region Dolan im Nordosten Tibets. Bereits seit 30 Jahren befehden sich das von Chinesen bewohnte Dorf Tsomen und das tibetische Dorf Arik Dragkar wegen eines Konflikts um Acker- und Grasland. Die Tibeter werfen den Chinesen vor, sich mehrmals Land angeeignet zu haben, das dem Dorf Arik Dragkar gehört. In der Vergangenheit soll es bei Auseinandersetzungen auch Tote gegeben haben.

Beim jetzigen Vorfall griffen laut Schilderungen der tibetischen Dorfbewohner etwa 100 Chinesen, die mit Nagelbrettern, Stöcken und geschärften Steinen bewaffnet waren und mit Autos und auf Pferden anrückten, den von Tibetern errichteten Sicherheitsposten an. Der Dorfvorsteher von Arik Dragkar erlitt mehrere Arm- und Beinbrüche, und zwei andere Tibeter wurden am Kopf verletzt. Vierzehn weitere Tibeter wurden weniger schwer verletzt, andere flohen in die Berge. Mehrere Regierungskader und Polizisten erschienen später und versprachen, den Konflikt zu schlichten.

Kloster in Nagchu geschlossen, religiöse Aktivitäten verboten
Am 30. Juli schlossen die Behörden das Kloster Shag Rongpo Ganden Dhargyeling und wiesen alle Mönche aus. Das über 300 Jahre alte Kloster wurde geschlossen, als Vorbereitungen für das Rongpo Gutor Festival im Gange waren, und alle religiösen Aktivitäten wurden verboten.

Die Sanktionen sind vermutlich im Kontext der Verhaftung und Verurteilung des ranghöchsten Mönchs, Lama Dawa, zu 7 Jahren Gefängnis im Mai 2010 zu sehen. Lama Dawa war vorgeworfen worden, wegen der Wiedergeburt des Schutzheiligen des Klosters, Rongpo Choejey, heimlich mit dem Dalai Lama kommunziert zu haben. Ein weiterer Mönch hatte Selbstmord begangen, weil er dem Druck der Chinesen zur Denunziation anderer Mönche nicht gewachsen war, und zwei weitere Mönche waren wegen nicht spezifizierter politischer Vergehen ebenfalls verhaftet worden. Immer wieder war es zu Streitereien zwischen Mönchen und dort stationierten Sicherheitskräften gekommen.

Am 6. August trafen nochmals über 300 chinesische Soldaten am Kloster ein und campieren jetzt dort in Zelten. Aus Solidarität mit den Mönchen weigerte sich eine tibetische Tanzgruppe, bei einem dem von der Regierung jährlich veranstalteten Sommerfest aufzutreten. Selbst Drohungen, ihre Weigerung könnte als politisches Vergehen interpretiert werden, liessen die Tanzgruppe nicht von ihrem Entscheid abweichen, und sie traten ohne Auftritt die Heimreise an.

Appelle an die Behörden, die Verbote rückgängig zu machen und die Verhafteten freizulassen, blieben unbeantwortet.

Quellen: Phayul

 

25. Juli 2013
Junger Mönch verbrennt sich in Dzoege – die 121. Selbstverbrennung
Am 20. Juli zündete sich der 18-jährige Mönch Konchok Sonam vor einem Kloster im Bezirk Dzoege in der osttibetischen Präfektur Ngaba an und starb. Während er in Flammen stand, rief er Parolen für die Freiheit Tibets. Mehrere hundert Tibeter fanden sich am Ort der Selbstverbrennung ein und konnten es verhindern, dass sich die sofort herbeigeeilten Sicherheitskräfte des Leichnams bemächtigen konnten.

In Dzoege haben sich in diesem Jahr bereits 5 Selbstverbrennungen ereignet. Im Juni war der lokale Sekretär der Kommunistischen Partei, Tenzin Yarphel, seines Amtes enthoben und auf eine unbedeutende Position in Ngaba transferiert worden. Angeblich sei er unter den Tibetern zu populär gewesen, da er mehrere religiöse Veranstaltungen genehmigt hatte. Informanten berichten auch, dass in Dzoege in praktisch allen Dörfern Informanten platziert seien, die die Bewohner überwachen.

Dalai-Lama-Bilder konfisziert
In der nördlichen Provinz Qinghai im Gebiet von Yulshul haben Behörden umfangreiche Kontrollen von Fahrzeugen durchgeführt und dort entdeckte Fotos des Dalai Lama und tibetischer Schutzheiliger konfisziert. Wer sich weigerte, wurde geschlagen. Radio Free Asia liegen auch Berichte vor, dass zwei Mönche, die sich der Konfiszierung widersetzten, in Haft genommen wurden.

Diese Berichte widersprechen Spekulationen über eine Lockerung des Verbotes, Dalai-Lama-Bilder zu besitzen und auszustellen, wie sie im Juni als „Experiment“ in einigen Regionen präsentiert wurden [vergl. Tibet-Information 28. Juni 2013; UM]. Die Regionalregierung der Präfektur Golog in Qinghai verbreitete sogar eine Stellungnahme mit dem Titel „Nicht auf Gerüchte hören“, die eine Änderung der Politik ausdrücklich dementiert.

Umfangreiche Enteignungen von Weideland
In der Präfektur Ngaba im Osten Tibets haben die Behörden umfangreiche Enteignungen von Weideland der dort lebenden Nomaden vorgenommen. Angeblich soll dort ein Wasserkraftwerk entstehen.

Laut Berichten von Betroffenen, die TCHRD zugingen, sind von den Enteignungen mehrere Nomadenlager betroffen, die auch die Weiden verloren, die traditionell für ihre Herden im Herbst genutzt werden. Keine der betroffenen Nomadenfamilien wurde vorab informiert oder konsultiert. Auch wurde ihnen keine Kompensation angeboten. Da es schwierig ist, aus der Region detaillierte Informationen zu erhalten, konnte TCHRD nicht in Erfahrung bringen, ob es bereits zu Umsiedlungen von Nomaden kam.

Parallel dazu wurden in der Region mehrere neue Polizeistationen errichtet. Eine der neuen Polizeistationen sollte ursprünglich direkt im Kloster von Muge eingerichtet werden. Nach Protesten verzichteten die Behörden darauf und wählten ein anderes Gebäude in der Nähe des Klosters.

Quellen: Radio Free Asia; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

12. Juli 2013
Schüsse bei Geburtstagszeremonie für den Dalai Lama: 9 Tibeter schwer verletzt
Mindestens 9 Tibeter erlitten schwere Schussverletzungen, nachdem Sicherheitskräfte auf eine Gruppe von Laien, Mönchen und Nonnen schossen, die am 6. Juli eine Zeremonie anlässlich des Geburtstags des Dalai Lama durchführten.

Mehrere Hundert Tibeter hatten sich am heiligen Berg Machen Pomra in Tawu in der osttibetischen Provinz Kardze versammelt, um wie in jedem Jahr dort den Geburtstag des Dalai Lama in einer Zeremonie zu begehen. Nach Angaben von Free Tibet versperrten Sicherheitskräfte ihnen jedoch den Weg zum Gipfel, wo sie Weihrauch verbrennen wollten. Nach Angaben von anderen Quellen soll die Zeremonie mit dem Verbrennen von Weihrauch und dem Anbringen von Gebetsfahnen und dem Portrait des Dalai Lama bereits begonnen haben, als die Sicherheitskräfte einschritten. Einige Tibeter versuchten zu schlichten, andere wiesen darauf hin, dass diese Zeremonie nach chinesischem Recht nicht illegal ist, und weitere kehrten zurück, um die Zeremonie an einem anderen Ort abzuhalten.

Aus noch ungeklärten Gründen eröffneten die Sicherheitskräfte das Feuer auf die Menschenmenge. Ein Mönch wurde durch einen Kopfschuss schwer verletzt und ist in kritischem Zustand, und weitere acht Tibeter erlitten ebenfalls schwere Schussverletzungen. Zahlreiche andere Tibeter wurden durch Tränengas, Gummigeschosse und Schläge verletzt. Auf Druck der Bevölkerung wurden später alle verhafteten Tibeter wieder freigelassen. Auch wurde die Abriegelung des Klosters Nyatso, aus dem der am schwersten verletzte Mönch stammt, nach einigen Tagen beendet.

Neue Regeln für die Zulassung religiöser Lehrer
Ende letzten Jahres erliess die chinesische Regierung neue Regeln, die die Prozesse und Kriterien für die Zulassung als religiöse Lehrer exakt definieren. TCHRD befürchtet, dass mit der Zeit die alten, in der langen buddhistischen Tradition geschulten Lehrer aussterben und durch junge, regierungs- und parteihörige Personen ersetzt werden.

Nur wer regierungsoffiziell registriert ist, darf religiöse Lehren ausüben. Dafür müssen die künftigen Lehrer eine Reihe von Anforderungen erfüllen. Sie müssen „die Führung der Kommunistischen Partei und das sozialistische System unterstützen, Patriotismus und Disziplin zeigen, Recht und Gesetz wahren, die Interessen des Volkes achten, die nationale Einheit schützen und religiöse und soziale Harmonie bewahren“. Auch dürfen sie sich nicht ausländischen Individuen und Organisationen zu Aktivitäten anstacheln lassen, und müssen den Weisungen der [weltlichen, von der Regierung kontrollierten] Klosterverwaltung folgen.

Kandidaten, die von der Klosterverwaltung vorgeschlagen werden, durchlaufen dann einen mehrstufigen Evaluations- und Prüfungsprozess. Nach einer Begutachtung auf Bezirks- und Präfekturebene müssen sie eine Prüfung ablegen. Wenn sie die Prüfung bestehen, folgen wieder Begutachtungen auf der Ebene der Provinz und der Autonomen Region durch die „Buddhistische Vereinigung Chinas“, ein Organ der staatlichen Behörde für Religiöse Angelegenheiten. Erst dann erfolgt die Zulassung als Lehrer, die für 5 Jahre gültig ist und danach erneuert werden muss.

Bei Verstössen gegen ihre Aufgaben werden Sanktionen angedroht, die von mündlichen Belehrungen bis zum Entzug der Zulassung als Lehrer reichen. Besonders schwere Verstösse sind das Nichtbefolgen der Anordnungen der Klosterverwaltung, Handlungen auf Veranlassung ausländischer Individuen und Organisationen, Verbreiten „separatistischer Gedanken“, Anstacheln anderer zu „illegalen und strafbaren Handlungen“, und die Beteiligung an Aktivitäten, die „ethnische und soziale Stabilität stören oder das Mutterland spalten“.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Phayul; Free Tibet

 

7. Juli 2013
„Die Fundamente festigen – Nutzen für die Massen“: Kampagne zur totalen Überwachung
Human Rights Watch weist in einem Bericht auf eine dreijährige Kampagne unter diesem Namen hin, die im Oktober 2011 implementiert wurde und vorgeblich der Erhöhung des Lebensstandards in dörflichen Regionen Tibets dienen soll, in Wirklichkeit aber ein System totaler Überwachung bedeutet.

Etwa 5‘000 Arbeitsteams mit insgesamt 21‘000 Kadern wurden während der Kampagne in Dörfern stationiert. Diese verrichteten nicht selten Tätigkeiten, die zum „Nutzen der Massen“ sein sollten, wie Hilfestellung bei Schneeräumung, Erschliessung der Wasserversorgung, Strassenbau, Montieren von Solarzellen oder Kommunikationstechnologie, Durchführung von Schreibunterricht, oder sogar Schlichten von Streitigkeiten.

Human Rights Watch zeigt auf, dass diese Tätigkeiten nicht etwa die Kernaufgabe der Teams bilden, sondern ganz am Ende einer Reihe viel wichtigerer Aufgaben stehen. Laut Parteidokumenten soll vor allem die Rolle der Kommunistischen Partei auf Dorfebene gestärkt werden, um die „Stabilität zu bewahren“ gegenüber „feindlichen Aktivitäten der Dalai-Lama-Clique“. Jedes Dorf solle zu einer „Festung“ im Kampf gegen „Separatisten“ werden. Überall sollen Parteizellen gebildet werden, indem diejenigen, die „versiert im Reichwerden“ sind, zur Übernahme der Parteimitgliedschaft und einer führenden Rolle im Dorf überzeugt werden sollen.

Als zweites Ziel wurde die Sammlung von möglichste umfassenden Informationen über den sozialen Status, das soziale Netzwerk im Dorf und die politischen Überzeugungen der Dorfbewohner genannt. Im Zuge der Kampagne zogen Mitglieder der Arbeitsteams reihum jeweils für einige Wochen in die Wohnungen der Dorfbewohner ein. Informanten berichteten, dass es den Hausbewohnern nicht mehr gestattet war, Türen abzuschliessen. Die Wohnungen wurden nach Bildern des Dalai Lama, missliebigen Schriften oder Tonträgern durchsucht, manche Räume sogar fotografiert. Weiter wurden umfassende biografische Daten und die Einkommensquellen aller Bewohner, einschliesslich Mönchen und Nonnen in lokalen Klöstern, dokumentiert.Dann wurden umfassende Interviews durchgeführt, in denen alle, sogar Kinder ab 10 Jahren, umfassend nach ihrer Haltung zum Dalai Lama und zu politischen Aktivitäten im Dorf befragt wurden.

Die Interviews dienten dazu, die Bewohner in 3 Kategorien einzuordenen. Als unproblematisch wurden diejenigen eingestuft, die „Wohlstand anstreben“ und Partei und Regierung unterstützen. In einer zweiten Kategorie wurden alle zusammengefasst, die den Dalai Lama verehren, aber keinen aktiven Widerstand ausüben. Alle, die in die dritte Kategorie fallen, nämlich „sich der Umerziehung verweigern und kein Vertrauen in das Mutterland und die Partei haben“, konnten für bis zu 6 Wochen zur „politischen Umerziehung“ interniert werden. Manche Dorfvorsteher wurden angehalten, im Dorf „Schlüsselpersonen“ zu identifizieren, das heisst solche, von denen Widerstandsaktionen ausgehen könnten.

Aus mehreren Regionen Tibets berichteten Informanten, dass auf Dorfebene „Sicherheitseinheiten“ gebildet werden. Diese bestehen aus jungen Personen, die „die Partei und die Nation lieben, und den Separatismus bekämpfen“. Sie sind mit Uniformen, Helmen, Taschenlampen sowie Schlagstöcken ausgerüstet und unternehmen Kontrollgänge, auf denen sie vor allem ortsfremde Personen kontrollieren.

Schliesslich wurden tausende von „Umerziehungssitzungen“ abgehalten. Familien, die nicht mindestens ein Mitglied dorthin entsenden, bekämen „ernste Probleme“, wurde vorab mitgeteilt. Solche, die sich den Inhalten der Sitzungen verweigerten, wurden zu „Extrasitzungen“ einberufen. Ausserdem erwähnt ein regierungsoffizieller Bericht, dass 90‘000 Portraits von Mao Zedong sowie 70‘000 chinesische Nationalflaggen verteilt wurden. Auf Haus- und Klosterdächern müssen nun die traditionellen Gebetsfahnen eingeholt und durch chinesische Flaggen ersetzt werden. Die Portraits von Heiligen sollen den mit Gebetsschleifen verzierten Bildern politischer Führer weichen. Der Bericht zählt auch zahlreiche lokale Veranstaltungen auf, wie z.B. das Begehen des vor wenigen Jahren geschaffenen „Jahrestages der Befreiung von der Sklaverei“ [dieser Jahrestag wurde erst im Jahr 2009 erfunden und soll jeweils im März begangen werden, um vom Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes am 10. März abzulenken; vergl. Tibet-Information vom 20. Januar 2009; UM], Aufführungen „erzieherischer und patriotischer Filme“, „roter“ Musikstücke sowie Fotoausstellungen.

Die Kampagne, die laut einem Regierungsdokument inzwischen in fast 5‘500 Dörfern der Autonomen Region Tibet durchgeführt wurde, kostet etwa 1.5 Milliarden Yuan (umgerechnet Fr. 200 Millionen), was ungefähr ein Viertel des gesamten regionalen Regierungsbudgets ausmacht.

Quellen: Human Rights Watch

 

28. Juni 2013
Überdenkt China die Tibet-Politik?
Zwei Ereignisse der letzten Wochen haben Spekulationen Nahrung gegeben, die neue chinesische Führung würde die Tibet-Politik grundlegend überdenken. Gleichzeitig warnen aber auch Skeptiker vor zu viel Optimismus.

„Gespräche wieder aufnehmen und das Tibet-Problem lösen“
Diesen Titel trägt ein Interview mit der Zeitschrift „Asian Weekly“ in Hong Kong, das Prof. Jin Wei von der Zentralen Schule der Kommunistischen Partei am 6. Juni gab.

In diesem bemerkenswerten Interview schlägt sie vor, dass man gegenüber den Tibetern zunächst gravierende politische Differenzen wie den „Mittleren Weg“ beiseite lassen und mit einfacheren Dingen beginnen sollte. So könnte die Regierung den Dalai Lama – sofern er wirklich glaubhaft nur noch eine religiöse Rolle spiele – zu einem Besuch nach Hong Kong oder Macau einladen, wo er möglicherweise auch leben könne. Wenn er sich auf Dauer wirklich von jeder politischen Rolle distanziere, könne man ihm sogar einen Besuch in Tibet erlauben.

Hinter diesen Vorschlägen steht laut diesem Interview eine gründliche Analyse der Situation in Tibet. Prof. Jin Wei erklärt, sie habe selbst Tibet für längere Zeit besucht und festgestellt, dass dort immense Fortschritte in der Infrastruktur und im wirtschaftlichen Wohlstand festzustellen seien, wofür die Tibeter der Kommunistischen Partei auch „tief dankbar“ seien. Auf der anderen Seite würden die Tibeter aber den Dalai Lama tief verehren, und viele Parteifunktionäre hätten mir ihrer repressiven Politik zu dem tiefen Graben zwischen ihnen und den Tibetern beigetragen. Speziell erwähnt sie die Serie der Selbstverbrennungen, die zwar eine „ansteckende, virtuelle Hysterie“ seien, aber sich doch zu einer „realen Bewegung“ entwickelt hätten. Massnahmen, diese zu verhindern, seien fehlgeschlagen und hätten die Spannungen oft nur verschärft. Die Situation könne möglicherweise noch ernstere Konflikte herauf beschwören. Insgesamt sei alles von einem Problem zwischen der Zentralregierung und der „separatistischen Dalai-Lama-Clique“ zu einem ethnischen Konflikt zwischen Chinesen und Tibetern eskaliert.

Im Interview wird auch ein gewisses Kalkül deutlich. Es müsse mit allen Mitteln erreicht werden, dass der nächste Dalai Lama in China inkarniert wird, um eine Situation wie die gegenwärtige mit zwei Panchen Lamas zu verhindern. Würde der Dalai Lama im Exil inkarniert und Beijing einen zweiten Dalai Lama einsetzen, hätte das „gravierende Folgen für die Sicherheit und Stabilität in der tibetischen Region“. Eine einvernehmliche Lösung mit dem Dalai Lama würde dazu führen, dass sich die „Obsession“ für den Dalai Lama in den westlichen Staaten und damit der internationale Druck auf China vermindere. Auch dürfte sich dieses positiv auf die Taiwan-Frage auswirken.

Bedeutsam ist, dass dieses Interview auf keinen Fall ohne Erlaubnis des engsten Führungskreises der Kommunistischen Partei veröffentlicht wurde. Der Präsident der Parteischule, Liu Yunshan, ist Mitglied im Ständigen Kommittee des Politbüros, dem eigentlichen Führungszirkel der Partei. Sein Vorgänger von 2006 bis zu diesem Jahr war Xi Jinping, der neue chinesische Staatspräsident.

Ende der Denunziation des Dalai Lama – ein „Experiment“
In den mehreren tibetischen Regionen im Norden und Osten, die den heutigen chinesischen Provinzen Sichuan und Qinghai angehören, dürfen Mönche und Laien wieder öffentlich den Dalai Lama verehren. Auch wurde mitgeteilt, dass man den Dalai Lama nicht mehr öffentlich denunzieren solle.

Die wichtigste öffentliche Ankündigung dieser überraschenden Veränderung erfolgte am 14. Juni bei einer Konferenz der Buddhistischen Schule der Provinz Qinghai, wo auch ein neuer Parteisekretär ernannt wurde. Laut einem dort verabschiedeten Dokument „sollen [die Tibeter] den Dalai Lama respektieren und dürfen ihm folgen“, und zwar als „religiöse Person“. Man dürfe ihm aber nicht als „politische Person“ folgen, denn „Religion und Politik sollen getrennt bleiben“. Ähnliche Ankündigungen werden aus Kardze im heutigen Sichuan und vom Kloster Kumbum in Qinghai gemeldet. Am 19. Juni verlasen im Bezirk Tsigorthang in Qinghai Regierungsmitglieder ein Dokument, nach welchem wieder Fotos des Dalai Lama an öffentlichen Orten ausgestellt werden dürfen, und „niemand sei es gestattet, ihn mit [herabsetzenden] Namen zu kritisieren“. Die Erlaubnis zum Ausstellen von Bildern des Dalai Lama in Klöstern und Wohnhäusern wurde auch im Süden aus der Grenzstadt Dram an der Grenze zu Nepal gemeldet.

Offizielle Dokumente beschreiben diese Änderungen aber als „experimentell“ mit der impliziten Warnung, dass alles auch kurzfristig wieder zurückgenommen werden kann. Laut Beobachtern könnte die chinesische Führung in der Tat in begrenzten Regionen Tibets „experimentieren“, wie sich diese Lockerungen auswirken.

Quellen: Phayul; Radio Free Asia; The Irrawady; Institute for Peace and Conflict Studies (New Delhi)

 

30. Mai 2013
Erneute Selbstverbrennung
Am 27. Mai verbrannte sich in der osttibetischen Region Adril der 31-jährige Mönch Tenzin Sherap und starb. Kurz darauf erschienen Sicherheitskräfte und konfiszierten den Leichnam. Allerdings wurde dieser am folgenden Tag seiner Familie ausgehändigt.

Tenzin Sherap hatte niemanden etwas über seinen Plan erzählt, aber Freunden einige Tage vorher anvertraut, er könne das Leben unter der „ständigen Folter und Repression durch China“ nicht länger ertragen.

Tausende Tibeter protestieren gegen Mine in Driru
Am 24. Mai haben sich im osttibetischen Driru nahezu 5‘000 Tibeter zum Protest gegen eine Mine versammelt. Der Protest begann, nachdem etwa 100 Arbeiter einer chinesischen Firma am nahe der Mine gelegenen heiligen Berg Naglha Dzambha erschienen. Sie begannen, Strommasten zu errichten und Kabel zu verlegen, angeblich um mit einem „hydroelektrischen Projekt“ zu beginnen. Die Tibeter glaubten dieser Darstellung nicht, und etwa 3‘500 von ihnen zogen darauf zu einer Pilgerstätte, um diese zu schützen, weil sie glaubten, in Wirklichkeit sollten dort Mineralien abgebaut werden. Die chinesische Firma gab an, dass diese Arbeiten zu mehr Wohlstand in der Region führen würden.

Eine Abordnung von 6 Tibetern gelangte darauf mit einer Petition an die Firma, die Arbeiten einzustellen. Schliesslich wurden die Arbeiter zurückgezogen, gleichzeitig fuhren jedoch etwa 50 Transportfahrzeuge mit Sicherheitskräften auf. Obwohl die Arbeiten zunächst nicht weitergeführt werden, beschreiben Augenzeugen die Situation immer noch als „gespannt“.

In Driru ereignete sich im letzten Jahr eine grosse Verhaftungswelle. Zwischen März und September waren etwa 1‘000 vorwiegend jüngere Tibeter aus wohlhabenden Elternhäusern verhaftet worden. Die meisten Verhafteten hatten sich einer gewaltlosen Bewegung angeschlossen, die versucht, die tibetische Kultur und Lebensweise zu erhalten [vergl. Tibet-Information vom 13. September 2012;UM]

Quellen: Phayul; Radio Free Asia

 

22. Mai 2013
Alter Pilgerweg in Lhasa wird zur Shoppingmeile
Der Barkhor, der heiligste Pilgerweg für tibetische Buddhisten, soll zu einer Einkaufsstrasse umgebaut werden. Nun wurden Pläne bekannt, den Barkhor in eine Shoppingmeile mit 150'000 Quadratmetern Ladenfläche mitsamt einer Tiefgarage für über 1‘000 Autos zu verwandeln. Dafür sollen auch viele der ältesten Bauwerke in Lhasa, die teilweise aus dem 7. Jahrhundert datieren, abgerissen werden.

Laut Phayul sollen die Stände für den Strassenverkauf, die sich bisher am Barkhor aufreihen, verschwinden und in das Einkaufszentrum integriert werden. Die Bewohner der angrenzenden Häuser werden in ein Quartier am westlichen Rand von Lhasa umgesiedelt. Wer sich schon jetzt für den Umzug entscheidet, soll Geld erhalten, wer sich weigert, könnte später als „politischer Problemfall“ angesehen werden.

Das Jokhang-Kloster war seitens der chinesischen Regierung bereits 1981 unter nationalen Denkmalsschutz gestellt worden. Mitsamt dem Potala-Palast zählt das Jokhang-Kloster seit 1994 zum Unesco-Weltkulturerbe. Einmal im Leben sollte jeder gläubige Buddhist den 800 Meter langen Weg zurücklegen, der Lhasas wichtigsten Tempel, den Jokhang, umrundet.

Auch die in Beijing lebende tibetische Schriftstellerin Woeser schlug in einem Blog mit dem Titel „Rettet Lhasa“ Alarm. Nachdem dieser über 10‘000 Mal angeklickt wurde, entfernten Zensoren sämtliche Einträge. Woeser auch wies darauf hin, dass der Bau des im letzten Jahr eröffneten Einkaufszentrums Shenli Shidai nördlich der Altstadt zu Rissen in den anliegenden Altbauten führte. Da Lhasa auf Morastboden liegt, hätten die Untergeschosse der Tiefgarage während der Bauarbeiten zwei Jahre lang mit Pumpen entwässert werden müssen.

Die Zerstörung der Altstadt von Lhasa
Woeser weist darauf hin, dass die Verwandlung des Pilgerwegs in ein Shopping-Zentrum nur ein Aspekt der Zerstörung der Altstadt von Lhasa ist. Sie nennt zahlreiche weitere Beispiele.

Vor vier Jahren wurde das im Jahr 1838 gebaute und unter Denkmalschutz stehende Geburtshaus des 11. Panchen Lama in ein Hotel verwandelt. Wo die Räume für die Buddha-Statuen und buddhistischen Schriften waren, befinden sich seitdem die teuersten Hotelzimmer.

Der Potala-Palast wurde im letzten Jahr von über 1 Millionen Touristen besucht, obwohl der Einlass wegen der fragilen Bausubstanz eigentlich strikt auf ein Drittel dieser Zahl festgelegt war.

Nachdem sich am 27. Mai 2012 zwei Tibeter auf dem Barkhor selbst vebrannten [vergl. Tibet-Information vom 29. Mai 2012; UM], wurde das Hotel, in dem sie wohnten, beschlagnahmt. Nun heisst es „Verwaltungssitz Barkhor-Altstadt“, und die nahe gelegene Polizeistation heisst „Polizeihauptstelle Barkhor-Altstadt“. Mehr noch als die baulichen Veränderungen besorge sie, so Woeser, der neue Begriff „Barkhor-Altstadt“, der erst seit Kurzem verwendet werde und möglicherweise die Verwandlung in ein „Folklore-Altstadtquartier“ für Touristen signalisiere.

Quellen: Phayul; Aargauer Zeitung; Die Welt

 

14. Mai 2013
Zweifache Selbstverbrennung
Am 24. April verbrannten sich zwei Mönche des Klosters Kirti, das Schwerpunkt der Welle der Selbstverbrennungen seit 2 Jahren ist, und starben. Ihre Namen wurden von Phayul mit Lobsang Dawa (20 Jahre) und Kunchok Woeser (23 Jahre) angegeben. Sie zündeten sich abends nahe einer Gebetshalle an. Ihre Leichname wurden von anderen Mönche in ihre jeweiligen Behausungen gebracht, wo auch die Totenrituale abgehalten wurden. Auf Druck der Behörden mussten die Einäscherungen gleich am nächsten Morgen erfolgen.

Beide Mönche waren als Kinder in das Kloster Kirti eingetreten und galten als ausgezeichnete Schüler.

„Anleitung zur psychischen Gesundheit“ für Sicherheitskräfte
TCHRD erhielt ein brisantes Handbuch zugespielt, das den psychischen Stress aufzeigt, dem Sicherheitskräfte bei ihren Einsätzen in Tibet ausgesetzt sind. In dem zurzeit zirkulierenden Entwurf, der von fünf Militärpsychiatern aus der Provinz Sichuan für die Bewaffnete Volkspolizei (People’s Armed Police, PAP) Anfang d.J. verfasst wurde, geben Psychologen und Psychiater Antworten auf 29 Fragen, wie Offiziere „wirksam mit den häufigsten psychischen Traumata umgehen, die mit den Schrecken ihrer Arbeit in Tibet“ einhergehen und „ihre Fähigkeiten zur stabilitätserhaltenden Arbeit in Tibet weiter stärken“. Das Handbuch enthüllt, dass einige Offiziere durch die Implementierung der repressiven Politik der Regierung psychisch traumatisiert sind bis zu dem Grad, dass sie die Sicherheitskräfte verlassen oder psychisch erkranken.

Beispielsweise befasst sich Frage 11 mit denjenigen Offizieren, die bei den Protesten vom 16. März und 18. März 2009 in Ngaba im Einsatz waren. Dort hatte sich Phuntsok als zweiter Tibeter selbst verbrannt, und in den nachfolgenden Protesten hatten Sicherheitskräfte wahllos in die demonstrierende Menge gefeuert. Das Handbuch enthüllt, dass zahlreiche Offiziere nicht in der Lage sind, sich gegen die immer wiederkehrenden Erinnerungen an den blutigen Einsatz zu wehren und unter Schlaflosigkeit und Alpträumen leiden. Im Handbuch wird in martialischer Sprache bemerkt, dass die Arbeit in Tibet „hart und konfliktgeladen ist, und einen täglichen Kampf zwischen Leben und Tod im Hagelsturm von Schwerten und Gewehren bedeutet“. Und weiter: „Viele Offiziere und Soldaten, die zum ersten Mal in Tibet im Einsatz sind, werden von psychischen Problemen belastet, so dass sie ihre Gefühle nicht mehr kontrollieren können, oder sie sind angsterfüllt bis zu dem Grad, dass sie ihr Selbstvertrauen verlieren. Besonders während kritischer Situationen oder unerwarteter Vorfälle erstarrt eine Handvoll von Offizieren vor Angst und Wahn und ist unfähig, rechtzeitig zu reagieren.“

Frage 16 bemerkt dazu: „Manche Genossen verlieren ihre Entschlossenheit und werden verwirrt, wenn sie tibetische Unruhestifter sehen, die sie mit Schwerten und Steinen bedrohen, und andere fühlen sich unwohl, wenn sie protestierende Mönche in ihren roten Roben sehen. Manche fürchten sich sogar davor, darauf zu reagieren... Solche Reaktionen schwächen die bewaffneten Streitkräfte...Es sind Massnahmen ergriffen worden, damit sie ihre Arbeit erfolgreich durchführen können.“

Ganz im Widerspruch zur offiziellen Regierungsposition, dass in China „Harmonie“ zwischen den verschiedenen Völkern herrsche, verstärkt das Handbuch den Mythos des tibetischen „Barbaren“: „Gleichgültig wie stark oder furchteinflössend die tibetischen Separatisten aussehen, werden wir den Willen der Massen durchsetzen... und den Kampf für den Fortbestand der Stabilität in Tibet weiterführen.“

Quellen: Phayul; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

18. April 2013
Junge Tibeterin stirbt nach Selbstverbrennung
Eine junge Tibeterin, die 20-jährige Chuktso, verbrannte sich am 16. April in der Präfektur Ngaba, das Schauplatz der meisten Selbstverbrennungen war. Die Mutter eines 3 Jahre alten Kindes setzte sich vor dem Jonang-Kloster in Brand und starb sofort.

Ihr Leichnam wurde von Tibetern in das Kloster gebracht, wo die Totenrituale abgehalten wurden. Danach wurde der Leichnam in ihr Wohnhaus überführt. Sicherheitskräfte und Behörden setzten laut Informanten von TCHRD die Angehörigen unter Druck, die Kremation noch in der gleichen Nacht vorzunehmen, ansonsten würde die Leiche konfisziert.

Damit steigt die Zahl der Selbstverbrennungen auf insgesamt 115.

Mehrjährige Haftstrafen nach Studentenprotest
Acht Stundenten wurden wegen „Beschädigung der nationalen Stabilität“ zu Haftstrafen zwischen 3 und 4 Jahren verurteilt. Am 26. November letzten Jahres war an der Universität in Chabcha im Nordostern Tibets ein Protest ausgebrochen, nachdem den Studenten in einer „Umerziehungsaktion“ Materialien unterbreitet worden waren, die den Dalai Lama diffamieren. Den Studenten wurden Propagandaschriften gegeben, die sie studieren und danach Fragen beantworten sollten wie z.B. „Was ist die Natur der Selbstverbrennungen?“, „Was sind die Folgen von illegalen Versammlungen und Demonstrationen?“, oder „Unter wessen Führung wurde die Gleichheit der Nationalitäten verwirklicht?“ [vergl. Tibet-Information vom 26. und 28. November 2012; UM]

Der Protest war damals nach zweistündiger Dauer von Sicherheitskräften unter massiven Schlägen, nach unbestätigten Berichten auch unter Einsatz von Tränengas und Schusswaffen, aufgelöst worden.

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

11. April 2013
Tibeterin zündet sich aus Protest gegen Häuserabriss an
Am 4. April setzte sich eine Tibeterin, deren Namen nicht bekannt ist, in der Stadt Kyegudo in Brand, um gegen den Abriss von Häusern zu protestieren. Die Flammen konnten von Tibetern gelöscht werden, so dass die Frau ohne lebensgefährliche Verletzungen überlebte. Ihre Tat geschah aus Protest gegen den Abriss behelfsmässiger Wohnungen, die die Tibeter nach dem Erdbeben dort errichtet hatten.

In dieser osttibetischen Region hatte sich vor genau 3 Jahren ein schweres Erdbeben ereignet, das mehrere tausend Todesopfer forderte [vergl. Tibet-Information vom 19. und 23. April 2010; UM]. Schon kurz nach dem Erdbeben waren Vorwürfe laut geworden, die Behörden seien nicht daran interessiert gewesen, die zerstörten Häuser für Tibeter an gleicher Stelle wieder aufzubauen. Vielmehr wurden viele tibetische Liegenschaften enteignet, besonders solche, die an lukrativer Lage an den zwei Hauptstrassen des Ortes lagen. Dort gibt es Pläne, neue Geschäftshäuser und Touristenunterkünfte zu bauen. Die Tibeter wurden stattdessen nur unvollständig entschädigt und in minderwertige Gebäude in der Peripherie umgesiedelt. Teilweise protestierten Tibeter dagegen, indem sie in den Ruinen ihrer Häsuer campierten. Es kam auch zu einem Massenprotest vor dem Gebäude der Lokalverwaltung [vergl. Tibet-Information vom 24. Juni und 11. August 2010; UM].

Zum jetzigen Protest kam es, als die Behörden Unterkünfte und Zelte gewaltsam niederreisen liessen. Als Grund wurde angeführt, die Bewohner seien nicht offiziell registriert gewesen. Es wurden offenbar auch Behausungen abgerissen, die Tibeter provisorisch auf ihrem eigenen Land errichtet hatten. Mitunter hätten die Tibeter nicht einmal Zeit gehabt, vor dem Abriss ihre Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen.

Hintergrundbericht zum Berkwerksunglück in Gyama
Am 30. März begrub ein Erdrutsch im Bergwerk von Gyama im Bezirk Medrogungkar, etwa 70 km von Lhasa entfernt, 83 Arbeiter, von denen niemand überlebte. Die Tibetische Regierung im Exil befürchtet, dass dieser Erdrutsch das Resultat von rücksichtslosem Abbau ist.

In Gyama wird der Abbau von Kupfer, Molybdän, Gold, Silber, Blei und Zink betrieben. Das Bergwerk wurde im vergangenen Jahr als „Pilotprojekt“ für Nachhaltigkeit, „soziale Verantwortung“, und „nationale Einheit“ ausgewählt. Es sollte höhere Standards als andere für sichere Produktion, „Harmonie mit der Gemeinschaft und Verantwortung für das Wohlergehen der Gesellschaft“ einhalten.

Im Gegensatz zu diesen Prinzipien sei der Abbau seit der Fusion von 4 kleineren Anlagen zum jetzigen Bergwerk im Jahre 2007 besonders aggressiv und rücksichtslos vorangetrieben worden. Die Anlage umfasst insgesamt fast 150 Quadratkilometer. Die Betreiber hätten in ihrem Expansionsdrang teilweise ganze Berge abgetragen. Auch zog die Expansion zahlreiche chinesische Wanderarbeiter an. Das könnte die Tatsache erklären, dass sich unter den 83 Todesopfern nur 2 Tibeter befinden.

Mehrfach kam es zu Protesten der Anwohner gegen Zwangsenteignungen, Umleitungen von Flüssen mit Versiegen des Grundwassers, vergifteten Abraum und verschmutzte Gewässer [vergl. Tibet-Information vom 10. Januar 2011; UM]. Nach einer Untersuchung, die in einem renommierten niederländischen Wissenschaftsjournal veröffentlicht wurde [Science for the Total Environment, Elsevier-Verlag, September 2010; UM], haben im Flussbett des Gyama-Flusses die Konzentrationen von mehreren Metallen in den letzten 20 Jahren erheblich zugenommen. Die Autoren des Berichts warnen vor den Gesundheitsrisiken, wenn diese Metalle Aufnahme in die Nahrung finden. Mehr noch, der Gyama-Fluss mündet in den Kiychu-Fluss, der durch Lhasa mit seinen über 180‘000 Einwohnern fliesst und schliesslich in den Yarlung Tsangpo mündet, der schliesslich als Brahmaputra in Bangladesh in das Meer mündet. Damit gefährden Rückstände potenziell eine grosse Bevölkerungszahl.

Quellen: Radio Free Asia; Central Tibetan Administration

 

3. April 2013
Mutter von 4 Kindern verbrennt sich
Am 24. März verbrannte sich die 30-jährige Kalkyi in der Nähe eines Klosters im Bezirk Dzamthang und starb. Tibeter konnten ihren Leichnam in das Kloster Jonang bringen, noch bevor Sicherheitskräfte eintrafen, und führten dort die Totenrituale durch. Diese wurden nach Augenzeugenberichten, die TCHRD zitiert, von 4000 Tibetern besucht. Sicherheitkräfte warnten die Tibeter, dass sie die Leiche gewaltsam wegtransportieren würden, wenn die Einäscherung nicht sofort vorgenommen würde.

Kalkyi hinterlässt drei Söhne und eine Tochter, alle noch unter 15 Jahren. Sie ist die 16. Frau, die diesen Schritt wählte.

Waldarbeiter stirbt in selbst errichtetem Scheiterhaufen
Nur einen Tag nach der Selbstverbrennung von Kalkyi wurde im Bezirk Sangchu in der Präfektur Kanlho morgens der verbrannte Leichnam des 43-jährigen Lhamo Kyab gefunden. Er hatte noch vor Morgengrauen einen Haufen aus Reisig und Holz errichtet, diesen mit Kerosin angezündet und sich in die Flammen gesetzt. Als Tibeter dort eintrafen, war sein Körper schon weitgehend verbrannt.

Kurz darauf erschienen Sicherheitskräfte und riegelten den Ort der Selbstverbrennung ab.

Dritte Selbstverbrennung in der gleichen Woche
Am 28. März verbrannte sich der 28-jährige Kunchok Tenzin auf einer Strassenkreuzung in der Nähe des Klosters Mori in der Präfektur Kanlho im Nordosten Tibets. Tibeter konnten seinen Leichnam bergen und in das Kloster bringen, wo am gleichen Abend die Totenrituale und Kremation erfolgten. Sicherheitskräfte riegelten das Kloster darauf ab. Auch in den Dörfern nahe des Klosters ist die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Kunchok Tenzin trat als Junge in das Kloster ein und soll einer der besten Schüler gewesen sein.

Kunchok Tenzin ist insgesamt der 112. Tibeter, der sich selbst verbrannte, 91 von ihnen sind gestorben.

Liste von „13 gesetzeswidrigen Verhaltensweisen“
In der Präfektur Malho, in der sich viele Selbstverbrennungen ereigneten, haben die Behörden eine Liste von verbotenen Verhaltensweisen veröffentlicht, die Radio Free Asia vorliegt. Die Publikation der Liste soll laut offizieller Verlautbarung dazu dienen, „die soziale Stabilität und Disziplin aufrecht zu erhalten“ und „gesetzeswidrige Taten zu unterbinden“. Unter anderem ist es verboten, Selbstverbrennungen zu filmen, dazu aufzurufen, Sicherheitskräfte zu behindern, Regierungskader „einzuschüchtern“, oder Informationen über Selbstverbrennungen an „ausländische separatistische Kräfte“ zu übermitteln. Auch ist es nicht erlaubt, Spenden zu sammeln [was oft geschah, um Hinterbliebene nach Selbstverbrennungen zu unterstützen; UM], zum Schutz der Umwelt oder der tibetischen Sprache aufzurufen, und religiöse Zeremonien abzuhalten, sofern diese Handlungen „Andeutungen“ über die Unabhängigkeit Tibets beinhalten.

Diese Liste folgt auf die im Februar d.J. neu lancierte „Patriotische Umerziehung“, die ebenfalls mit zahlreichen Strafandrohungen auf Selbstverbrennungen zu reagieren versucht [vergl. Tibet-Information vom 22. Februar 2013; UM].

Quellen: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia

 

25. März 2013
Selbstverbrennung – und danach Ehemann verhaftet
Am 13. März zündete sich die 30-jährige Kunchok Wangmo auf der Hauptstrasse der Stadt Dzoege in der Präfektur Ngaba an und starb sofort. Ihr Leichnam wurde von Sicherheitskräften entfernt. Später wurde dem Ehemann nach der Kremation nur noch die Asche in einer Urne ausgehändigt.

Die Behörden setzten den Ehemann, Dolma Kyab (31), unter Druck, einen Familienstreit als Ursache der Selbstverbrennung auszugeben. Als er sich weigerte, wurde er verhaftet. Auf Grund der Nachrichtensperre in die Region Ngaba sind weitere Details nicht bekannt. Auch war nicht in Erfahrung zu bringen, wer sich um die 8-jährige Tochter kümmert.

Weitere Selbstverbrennung im Kloster Kirti
Vor der Tür seiner Unterkunft im Kloster Kirti setzte sich am 16. März der 28-jährige Mönch Lobsang Thokmey in Brand. Er wurde in das lokale Spital gebracht, erlag dort aber kurz darauf seinen Verletzungen.

Die Selbstverbrennung erfolgte am Jahrestag des Massakers vom 16. März 2008, als während der Unruhen Sicherheitskräfte in eine unbewaffnete Gruppe von mehreren hundert Demonstranten feuerten und mindestens 13 Tibeter starben, darunter ein 16-jähriges Mädchen.

Am 16. März 2011 hatte sich der Mönch Phuntsog aus Kirti selbst verbrannt [vergl. Tibet-Information vom 21. März 2011; UM] und damit die bis jetzt anhaltende Welle von Selbstverbrennungen begonnen. Genau 1 Jahr später setzte sich Lobsang Tsultrim, ebenfalls ein Mönch des Klosters Kirti, in Brand [vergl. Tibet-Information vom 19. März 2012; UM] und starb 2 Tage später.

Quellen: freetibet.org

 

12. März 2013
Nach Satellitenschüsseln: Nun Razzien auf Mobiltelefone
Nachdem die Behörden im Januar Razzien auf Satellitenschüsseln durchgeführt haben [vergl. Tibet-Information vom 14. und 31. Januar 2013;UM], kommen nun Mobiltelefone an die Reihe. Am 7. März kam ein „Arbeitsteam“ nach Lhasa, das aus technischen Experten für die Mobiltelefonie besteht. Diese durchkämmen seitdem alle grossen Klöster in Lhasa nach persönlichen Mobiltelefonen, mit denen Mönche Informationen in das Ausland liefern können. Für jedes grosse Kloster, beginnend mit Drepung, gefolgt von Sera, Ganden, Ramoche und Jokhang, seien je 4 bis 5 Arbeitstage eingeplant. Unklar ist, was mit den Mobiltelefonen und ihren Eignern geschieht, sollte sich herausstellen, dass damit Informationen in das Ausland geschickt wurden.

Im Januar waren in der Präfektur Malho in Razzien sämtliche Satellitenschüsseln entfernt und zerstört worden, mit denen sich ausländische Sender empfangen lassen. Auch wurden diese aus allen Läden entfernt und durch solche Anlagen ersetzt, mit denen sich nur noch staatliche chinesische Programme empfangen lassen.

Fünf Festnahmen nach Protestaktion zum 10. März
Im osttibetischen Bezirk Kardze wurden 5 Tibeter verhaftet, die am Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes an einer Protestaktion beteiligt waren. Drei Mönche des Klosters in der Bezirkshauptstadt Sershul trugen ein grosses Banner mit einem Portrait des Dalai Lama über die Strasse und riefen Slogans für Freiheit, Demokratie und eine Lösung gemäss dem „Mittleren Weg“ [Autonomie, keine Unabhängigkeit für Tibet; UM].

Als die Sicherheitskräfte auf die Demonstration aufmerksam wurden und anrückten, wollten zwei Tibeter schlichtend eingreifen, doch wurden sie ebenfalls verhaftet. Es ist nicht bekannt, wo sich die Verhafteten derzeit befinden.

Verhaftungen und Verurteilungen wegen “Beihilfe zur Selbstverbrennung”
Weiter versucht China, mit Verhaftungen und Verurteilungen die These von der „Fremdsteuerung“ der Selbstverbrennungen aus dem Ausland zu belegen. Nach dem Todesurteil mit Hinrichtungsaufschub für einen Tibeter im Januar [vergl. Tibet-Information vom 31. Januar 2013; UM] und der Verhaftung von insgesamt 70 Tibetern im Osten Tibets [vergl. Tibet-Information vom 14. Februar 2013; UM] berichteten offizielle chinesische Zeitungen Anfang März von langjährigen Haftstrafen für drei Tibeter, die der „Beihilfe“ zu einer Selbstverbrennung im November beschuldigt wurden. In einem Prozess, der in der Region Kanlho, welche Schauplatz mehrerer Selbstverbrennungen war, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter starken Sicherheitsvorkehrungen stattfand, wurden drei Tibeter zu Haftstrafen von 15, 11 und 10 Jahren verurteilt.

Ebenfalls meldete die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua die Verhaftung von 5 Tibetern in Osttibet, die angeblich „im Auftrag“ der Radiosender Radio Free Tibet und Voice of America sowie der Exilorganisation Tibetan Youth Congress (TYC), der für die Unabhängigkeit Tibets eintritt, Freiwillige für Selbstverbrennungen rekrutiert hätten. Die verhafteten Tibeter wären angeblich stets gleich nach Selbstverbrennungen vor Ort gewesen und hätten Bilder ins Ausland geschickt. Sowohl die Radiosender als auch TYC dementierten energisch, dass sie zu Selbstverbrennungen animieren würden.

Quellen: Phayul; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

7. März 2013
Zahl der Selbstverbrennungen steigt auf 107
Am 19. Februar verbrannten sich wiederum zwei tibetische Teenager. Der 17-jährige Rinchen und der 18-jährige Sonam Dhargey setzten sich in der Präfektur Ngaba in Brand und starben. Es ist derzeit nicht bekannt, welche Slogans sie bei der Selbstverbrennung riefen.

Beide hatten die Primarschule in der Ortschaft Kyangtsa in Ngaba besucht. Rinchen hatte nach dem Abschluss der Schule in der Provinz Qinghai im Norden Tibets eine Anstellung gefunden und war während des tibetischen Neujahrs bei seiner Familie in Ngaba zu Besuch. Beide Leichname wurden zu ihren Eltern gebracht, welche hoffen, die Totenrituale ungestört durchführen zu dürfen.

Damit sind 20 der Tibeter, die sich selbst verbrannten, 18 Jahre alt oder jünger.

In der osttibetischen Region Ngaba zündete sich am Morgen des 26. Februar der Tibeter Sangdag auf einer Hauptstrasse im Bezirk Ngaba an. Sangdag, dessen Alter nicht bekannt ist, war Mönch im Kloster Dhiphu. Sicherheitskräfte, die sofort am Ort der Selbstverbrennung erschienen, brachten seinen Körper zuerst in das lokale Spital, später dann aber an einen unbekannten Ort. Über seinen Zustand sind bisher keine weiteren Details bekannt.

Mehrere Verletzte bei Protestaktion in Osttibet
Mindestens 6 Tibeter wurden bei einer Protestaktion anlässlich des tibetischen Neujahrsfestes im osttibetischen Chamdo verletzt, darunter zwei mit Knochenbrüchen. Die Behörden hatten angeordnet, dass alle Anwohner in der Ortschaft Meyul am 10. Februar, dem Tag vor dem Beginn des Neujahrsfestes, die chinesische Nationalflagge auf den Hausdächern hissen.

Stattdessen warfen die Tibeter die Flaggen auf den Boden und traten mit ihren Füssen auf sie. Auch die als Dank verteilten Solarzellen wurden von ihnen sofort zerstört. Einen Tag darauf trafen Sicherheitskräfte in Meyul ein und verhafteten die Tibeter, die als Anführer des Protests identifiziert wurden. Dabei erlitt ein Tibeter mehrere Rippenbrüche, ein anderer einen Armbruch. Mindestens vier weitere Tibeter wurden bei der Verhaftung zusammengeschlagen. An den Strassen, die aus Meyul herausführen, sind Kontrollpunkte eingerichtet. Sicherheitskräfte erfassen die Personalien in sämtlichen Haushalten in der Region.

Seit diesem Vorfall sind alle Telefon- und Internetverbindungen in die Region unterbrochen, so dass weitere Details nicht in Erfahrung zu bringen sind.

Quellen: Phayul; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD; Radio Free Asia

 

21. Februar 2013
Zwei Teenager verbrennen sich
Zwei Teenager, der 17-jährige Rinchen und der 18-jährige Sonam Dhargye, setzten sich gemeinsam am 19. Februar in der Stadt Kyangtsa in der osttibetischen Präfektur Ngaba in Flammen und starben auf der Stelle. Ihre Leichname wurden von Tibetern in deren jeweilige Elternhäuser gebracht, wo die Familien hofften, ungestört die Totenrituale durchführen zu können. Rinchen war extra über die Feiertage anlässlich des tibetischen Neujahrs von seinem Arbeitsort in der Provinz Qinghai zu seiner Familie gereist.

Damit steigt die Zahl der Selbstverbrennungen auf 104.

Bereits am 14. Februar, dem dritten Tag des tibetischen Neujahrsfestes, hatte sich der 26-jährige Drukpar Khar, Vater von 3 Kindern, in der Stadt Amchok in der Präfektur Kanhlo in Brand gesetzt.

Am 17. Februar starb der 46-jährige Namlha Tsering, Vater von 4 Söhnen, in der Stadt Sangchu, ebenfalls in der Provinz Kanhlo, nachdem er sich mit gekreuzten Beinen auf einer stark befahrenen Strasse in Brand gesetzt hatte. Sicherheitskräfte schafften seinen Leichnam weg und versuchten, die Brandspuren an der Stelle, wo er sich verbrannt hatte, zu verdecken.

Tibeter werden gezwungen, Neujahr zu feiern
Aus verschiedenen Regionen in Tibet wurde bekannt, dass Partei- und Regierungskader Haushalte besuchten und Familien dazu zwangen, das tibetische Neujahr zu feiern, das in diesem Jahr am 11. Februar begann. Wie schon im vergangenen Jahr [vergl. Tibet-Information vom 2. März 2012; UM] entschlossen sich die Tibeter in Tibet und im Exil, im Gedenken an die Selbstverbrennungen die Festtage im Gebet und ohne die traditionellen Feiern zu begehen.

Die Funktionäre versuchten die Tibeter mit einer Mischung aus Drohungen und angebotenen Belohnungen zum Feiern zu veranlassen. Sie wurden aufgefordert, sich wie üblich neu zu kleiden, Angehörige und Freunde zu opulenten Essen einzuladen und die traditionellen Reiterwettkämpfe und Bogenschiessen zu veranstalten. Allen, die sich verweigerten, wurden massive Strafen angedroht. Es ist unmöglich, umfassende Informationen zu erhalten, ob diesen Anordnungen Folge geleistet wurde, jedoch gibt es aus verschiedenen Regionen Berichte, dass sich Tibeter diesen Anordnungen widersetzten und die Feiertage stattdessen mit Gebeten in Klöstern verbrachten. Tibetische Läden weigerten sich auch, Feuerwerk zu verkaufen, das an diesen Tagen normalerweise entzündet wird.

In Rebkong dekorierten Kader die Regierungsgebäude und an Strassenkreuzungen errichtete Gerüste mit Drachenmotiven, dem chinesischen Nationalsymbol. In Lhasa besuchten hohe Funktionäre das Ramoche-Kloster und ordneten an, dass die Wände neu gestrichen und Flaggen gehisst werden, wie es ansonsten der Tradition zum Neujahr entspricht. Wenn sich Mönche weigerten, das Neujahrsfest entsprechend der Tradition zu begehen, würde das als politisches Vergehen angesehen. Das Ramoche-Kloster, eines der ältesten tibetischen Klöster überhaupt, hatte seit dem Aufstand im Jahr 2008 keine Feiern zum Neujahr durchgeführt.

„Patriotische Umerziehung“ fokussiert auf Selbstverbrennungen
Diejenigen, die andere „zu Selbstverbrennungen anstiften, verleiten oder drängen“, werden der vorsätzlichen Tötung angeklagt. Ebenso machen sich solche, die „Sicherheitskräfte, medizinisches Personal oder andere, die die Selbstverbrenner schützen wollen“, bei der Ausübung ihrer Pflichten behindern, des gleichen Vergehens schuldig. Ihnen wird im schlimmsten Fall die Todesstrafe angedroht. Es erhalten diejenigen schwere Strafen, die andere „zu Versammlungen aufrufen, die Leichname von Selbstverbrennern in Prozessionen durch die Strassen tragen oder anderweitig den öffentlichen Verkehr oder die Ordnung stören“. In der Vergangenheit hatte es mehrfach Auseinandersetzungen zwischen Tibetern und Sicherheitskräften gegeben, wenn letztere versuchten, die Körper von Tibetern nach Selbstverbrennungen, ob tot oder lebendig, möglichst rasch vom Ort des Geschehens fortzuschaffen. Diese Strafandrohung zielt offensichtlich darauf ab, zu verhindern, dass die Leichname an ihre Heimatorte gebracht und Totenrituale abgehalten werden. Auch werden alle mit Haftstrafen von 5 bis 15 Jahren bedroht, die „fälschlich“ Bilder oder Videos von derartigen Ereignissen verbreiten.

Quellen: Radio Free Asia; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy TCHRD

 

14. Februar 2013
Die 100. Selbstverbrennung in Tibet, eine weitere in Kathmandu
Durch die Selbstverbrennung des 37-jährigen Lobsang Namgyal erreicht die Zahl in Tibet nun 100. Lobsang Namgyal, ein Mönch des Klosters Kirti, Ort mehrerer Selbstverbrennungen im vergangenen Jahr, setzte sich schon am 3. Februar in Flammen und starb, jedoch wurde dieses erst vor Kurzem im Exil bekannt.

Am gleichen Tag zündete sich auch in Nepals Hauptstadt Kathmandu ein junger tibetischer Mönch an. Sein Name ist nicht bekannt, ebenso gibt es keine Informationen über seinen Zustand.

Massenverhaftungen wegen „Beihilfe“ zu Selbstverbrennungen
Insgesamt 70 Tibeter wurden in Osttibet in den vergangenen Wochen verhaftet, weil sie angeblich in irgendeiner Weise „Beihilfe“ zu Selbstverbrennungen im November letzten Jahres geleistet hätten.

Die propagandistische Ausschlachtung der Verhaftungen durch die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua dient zum einen dazu, andere Tibeter davon abzuschrecken, Totenrituale für die Opfer der Selbstverbrennungen abzuhalten, den betroffenen Familien Kondolenzbesuche abzustatten oder ihnen materielle Zuwendungen zukommen zu lassen. Zum anderen werden die Tibeter, die sich selbst verbrannt haben, als vom Ausland „gesteuert“ oder als Menschen mit gravierenden persönlichen Problemen dargestellt.

Einige der Festgenommenen im osttibetischen Malho hätten Fotos der Selbstverbrennungen in das Ausland geschickt, um durch den dort zu erlangenden „Ruhm“ weitere Tibeter zu dieser Tat zu ermutigen. Andere seien „frustriert“ und des Lebens müde gewesen, hätten sich aber durch die Selbstverbrennung noch Respekt und Ansehen verschaffen wollen.

Quellen: International Campaign for Tibet; Phayul

 

31. Januar 2013
„Hardliner“ als neuer Gouverneur von Tibet
Der frühere Bürgermeister von Lhasa, der 55-jährige Lobsang Gyaltsen, wurde zum neuen Gouverneur von Tibet ernannt. Laut der offiziellen Biografie lehrte er auch marxistische Theorie. Er ist dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei in Tibet, dem Chinesen Chen Quanguo, unterstellt; diese Position hatte noch nie ein Tibeter inne.

In seiner ersten Rede nahm Lobsang Gyaltsen gleich eine harte Haltung an und sprach von der Notwendigkeit eines „entschlossenen Kampfes“ gegen den Dalai Lama. Seine Rede enthielt die schon lange üblichen Formeln über „Wachsamkeit“, einen „festen politischen Standpunkt“, und Wahrung der „nationalen Einheit“. Jeglicher Fortschritt seit der „friedlichen Befreiung“ sei der Führung der Kommunistischen Partei und dem sozialistischen System zu verdanken.

Todesurteil für „Anstiftung zur Selbstverbrennung“
Ein Mönch des Klosters Kirti, dem Zentrum des tibetischen Widerstandes und der Selbstverbrennungen, wurde von einem Gericht der Provinz Ngaba wegen „Anstiftung zur Selbstverbrennung“ zum Tode verurteilt. Der 41-jährige Lobsang Konchok wurde im August 2012 verhaftet und jetzt angeklagt, weil er angeblich 8 Tibeter zur Selbstverbrennung angestiftet habe; drei von ihnen seien dabei gestorben. Sein Neffe, der 31-jährige Lobsang Tsering, wurde wegen Beihilfe zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Beobachter erwarten nicht, dass die Todesstrafe sofort vollstreckt wird. Nicht selten wird die Exekution fur 2 Jahre ausgesetzt und bei „Besserung“ in eine langjährige Haftstrafe umgewandelt.

Über diesen Fall war in den offiziellen chinesischen Medien bereits vor Prozessbeginn breit berichtet worden. Hier, und auch bei anderen Verhaftungen wegen der gleichen Beschuldigungen, betonen die offiziellen Medien stets, dass die Verhafteten Kontakte zu Exiltibetern hatten, um so die Theorie einer „Steuerung“ der Selbstverbrennungen aus dem tibetischen Exil zu untermauern. Seit Dezember wurden allein in der Region Kanlho, wo sich auch mehrere Selbstverbrennungen ereignet hatten, 15 Tibeter verhaftet. Diese sollen mit „spalterischen Kräften“ im Ausland in Verbindung gestanden, Informationen über Selbstverbrennungen verbreitet, oder andere zu dieser Tat angestiftet haben.

Kampagne zur Zerstörung von Satellitenempfängern wird verschärft
Nach einer neuen behördlichen Anordnung vom 24. Januar im Bezirk Rebkong in der Präfektur Malho, die Phayul vorliegt, werden nun alle Tibeter ultimativ und unter Strafandrohung dazu aufgefordert, ihre alten Satellitenanlagen gegen neue auszutauschen, die allein die staatlichen Medien empfangen können. Wer dieses bis zum 27. Januar nicht gemacht habe, müsse mit einer Geldstrafe von Yuan 5‘000 und „weiteren Massnahmen“ rechnen.

Die Kampagne hatte in Malho bereits Anfang 2013 begonnen [vergl. Tibet-Information vom 14. Januar 2013; UM]. Behördenvertreter konfiszierten nicht nur unerwünschte Anlagen aus Haushalten, sondern auch aus den örtlichen Läden und verboten den Händlern ihren Verkauf. Die eingesammelten Satellitenempfänger wurden dann öffentlich verbrannt. Am 18. Januar erschien eine grössere Gruppe von Offiziellen im Kloster Rongwo, wo sie sogleich die Anlagen demontierten, einsammelten, und alle Empfangskabel in den Räumlichkeiten des Klosters und den Mönchszellen durchtrennten.

Quellen: Phayul; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy; Radio Free Asia RFA

 

28. Januar 2013
Zweite und dritte Selbstverbrennung seit Jahresbeginn
Am 18. Januar starb der Tibeter Drubchog, dessen Altern nicht bekannt ist, nachdem er sich in der Präfektur Ngaba angezündet hatte. Drubchog hinterlässt seine Frau und zwei Töchter im Alter von 3 und 4 Jahren. Er zündete sich auf einem Basketballfeld nahe einer viel befahrenen Strasse an, aufrecht in Gebetshaltung sitzend, und starb sofort. Sicherheitskräfte transportierten den Leichnam in die benachbarte Stadt Barkham und führten sofort die Einäscherung durch, ohne die Angehörigen zu informieren. Sein Heimatdorf steht jetzt unter verstärkter Überwachung durch Sicherheitskräfte.

Am 22. Januar starb Kunchok Kyap (auch unter dem Namen Kunbey bekannt) im Hof des Klosters Bora in der Präfektur Kanlho, während die Mönche in der Halle eine Zeremonie abhielten. Sein Alter ist ebenfalls nicht bekannt. Er war verheiratet und Vater eines knapp einjährigen Kindes. Das Kloster Bora war bereits am 2. Dezember Schauplatz einer Selbstverbrennung [vergl. Tibet- Information vom 12. Dezember 2012; UM].

Sicherheitskräfte schafften sofort seinen Leichnam fort. Als das bekannt wurde, versammelten sich Bewohner von Bora und weiterer Dörfer vor dem lokalen Regierungsgebäude und forderten die Herausgabe des Leichnams. Anstatt dem Folge zu leisten, warnten Behördenvertreter die Anwesenden strikt davor, zu dem Haus der Angehörigen zu ziehen und ihr Beileid auszudrücken. Allen Mönchen wurde untersagt, irgendwelche Totengebete zu sprechen. Anstatt sich dem Verbot zu beugen, beschlossen die Tibeter, die Totenrituale direkt vor dem Regierungsgebäude abzuhalten, worauf die Zahl der Anwesenden noch anwuchs.

17-jähriger Tibeter stirbt vor Selbstverbrennung
Am 19. Januar wurde der 17-jährige Jigjey Kyab tot an einem Strassengraben in der osttibetischen Region Luchu aufgefunden. Seine Kleider waren mit Kerosin getränkt, und in den Händen hielt er zwei Feuerzeuge. Es wird vermutet, dass er Kerosin trank, bevor er sich anzuzünden versuchte. Neben seinem Bett im Elternhaus fand sich ein handgeschriebener Abschiedbrief, in dem er die Tibeter dazu aufrief, sich zu erheben. Phayul zeigt ein Foto dieses Briefs auf der Homepage.

Unter anderem schrieb er: „Mögen meine Sehnsüchte erfüllt werden...Seine Heiligkeit der Dalai Lama lebe tausende von Weltzeitaltern...Meine Gebete für das Glück von Tibet.“

Privatunterricht verboten
In der osttibetischen Provinz Ngaba, die Schauplatz der meisten Selbstverbrennungen war, ist der Unterricht in tibeitscher Sprache und Kultur während der offiziellen Winterferien verboten worden. Mit diesem Unterricht in der Ortschaft Muge Norwa war in Privatinitiative vor einem Jahr begonnen worden, damit die tibetischen Kinder während der Schulferien in ihrer eigenen Sprache unterrichtet werden können. Auch aus anderen Gemeinden erhielt die Schule viel Zuspruch. Nach einer Intervention der Behörden musste der Unterricht im letzten Jahr in ein Privathaus verlegt werden, doch nun wurde er endgültig verboten.

Ebenfalls verboten wurde der tibetische Sprachunterricht, der von mehreren Klöstern in dieser Region angeboten wurde.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Phayul

 

14. Januar 2013
Weitere Selbstverbrennung
Am 12. Januar zündete sich im Nordosten Tibets, in der Ortschaft Achok, Autonome Präfektur Kanlho (heute chinesische Provinz Gansu), der junge Tibeter Tseba an und starb sofort. Nach unbestätigten Angaben soll er 19 Jahre alt gewesen sein. Damit erhöht sich die Zahl der Selbstverbrennungen auf insgesamt 96.Als er in Flammen stand, habe er Parolen für die Rückkehr des Dalai Lama gerufen. Tibeter brachten seinen Leichnam für die Totenrituale in Sicherheit, bevor Sicherheitskräfte den Ort erreichten.

Behörden konfiszieren Satellitenempfänger
In der Präfektur Malho, die Ende letzten Jahres Schauplatz mehrerer Selbstverbrennungen war, haben die Behörden mit einem Programm zur Beschlagnahme von Satellitenschüsseln begonnen. Insgesamt sollen bereits mehrere hundert Empfänger abmontiert und zerstört worden sein. So soll die Verbreitung von Nachrichten über Selbstverbrennungen unterdrückt werden. Auch sollen die Inhaber zu Geldstrafen für ihren Besitz verurteilt worden sein.

Ziel der Kampagne sind solche Satellitenschüsseln, die den Empfang ausländischer Radio- und Fernsehprogramme wie zum Beispiel Radio Free Asia oder Voice of America erlauben. Die Tibeter werden aufgefordert, nur noch Satellitenempfänger zu kaufen, die ausschliesslich die staatlichen chinesischen Sender empfangen können. Einige Tibeter vermuten, dass sich in diesen Empfängern auch Einrichtungen zur Überwachung der Haushalte befinden könnten.

Propagandafilm über die „wahre Natur der Selbstverbrennungen“
China hat Ende letzten Jahres einen Film ausgestrahlt, der die parteioffizielle Sichtweise über die Selbstverbrennungen wiedergeben soll, nämlich dass diese von „Drahtziehern im Ausland“, namentlich der „Dalai-Clique“, organisiert werden, um China zu schwächen und zu spalten.

Unterstützt wurde diese publizistische Kampagne durch eine Serie von Zeitungsartikeln und Interviews mit „Tibetologen“ in verschiedenen Zeitungen, die diese Sichtweise bekräftigen.

In dem Film sind Interviews mit verhafteten Tibetern zu sehen, die angeben, dass sie aus dem Ausland zur Planung und Durchführung von Selbstverbrennungen angestachelt wurden, und im Film als „Opfer“ dieser Kampagne dargestellt werden. Zuerst wurde der Film in CCTV-4 gezeigt, der sich in chinesischer Sprache an im Ausland lebende Chinesen wendet, danach aber auch in den englischen, spanischen, französischen, arabischen und russischen Kanälen von CCTV.

Schon am 20. Dezember hatten chinesische Medien von der Verhaftung zweier Tibeter in einem Gästehaus in Rongwo in der Präfektur Malho berichtet, die dort angeblich mit einem Kanister Benzin und Baumwolle aufgegriffen wurden. Die angebliche „Anstiftung“ aus dem Ausland wurde nach offizieller Darstellung damit belegt, dass beide Verhafteten nach ihrer Flucht aus Tibet im Jahre 2005 im tibetischen Exil in Indien gelebt und Kontakte mit dem Tibetischen Jugendkongress hatten, der im Gegensatz zur Regierung im Exil die Unabhängigkeit Tibets propagiert.

Quellen: Radio Free Asia RFA; Phayul

 

8. Januar 2013
Dokumentation zur Situation der Kinder in Tibet
Anlässlich des Menschenrechtstages präsentierten Free Tibet Campaign und Tibet Watch eine Dokumentation zur Situation der Kinder in Tibet zuhanden des UN-Ausschusses für die Rechte der Kinder (siehe http://www.freetibet.org/about/tibets-children). Zusammenfassend kommt die Dokumentation zum Schluss: „Es kann keine normale Kindheit geben in einer abnormen Gesellschaft. Die Kinder in Tibet sind allen Problemen eines Lebens unter der Besetzung [durch China; UM] ausgesetzt, und in vielen Fällen sind sie aktiv Beteiligte im Widerstandskampf. Das heisst, dass auch sie Opfer der systematischen und allgegenwärtigen Menschenrechtsverletzungen sind.“

Unmittelbarer Ausgangspunkt der Dokumentation war die Tatsache, dass zwei Drittel der Selbstverbrennungsopfer in Tibet jünger als 25 Jahre sind, acht von ihnen sogar unter 18 Jahre. Vier von ihnen sind tot, über den Verbleib der anderen gibt es keine Informationen.

Weiterhin dokumentiert der Bericht, wie Kinder

  • geschlagen, inhaftiert, oder gar getötet werden, wenn sie für ihre Rechte eintreten,

  • bedroht, misshandelt und zu Waisen gemacht werden, wenn ihre Eltern sich am Widerstand gegen die Besetzung beteiligen

  • gehindert werden, ihre eigene Sprache und Kultur zu erlernen und durch diese „Ausbildung“ zu Bürgern Zweiter Klasse werden, und

  • dennoch Informationen austauschen und an Demonstrationen teilnehmen.

Im Übrigen erinnert der Bericht daran, dass der vom Dalai Lama als Inkarnation des Panchen Lama anerkannte Gendun Choekyi Nyima im Jahre 1995 im Alter von 6 Jahren verschleppt wurde, ohne dass bis heute Informationen über seinen Verbleib und sein Wohlergehen erhältlich sind.

China hat die Internationale Konvention über die Rechte des Kindes unterzeichnet, und es wird an die UN appelliert, China an die daraus resultierenden Verpflichtungen zu erinnern.

Ultimatum für “Verbrecher”, Belohnungen für Denunzianten
Im Dezember verkündeten die Behören im osttibetischen Malho nach der Serie der Selbstverbrennungen und Massenproteste im November sowohl ein Ultimatum an „Verbrecher“, sich zu stellen, als auch Belohnungen für Denunzianten.

Laut der Ankündigung, die Phayul zugespielt wurde, wurde „fehlbaren“ Tibetern, die sich bis Ende November freiwillig stellen, eine mildere Strafe versprochen. Alle diejenigen, die die Frist verstreichen lassen, würden hart bestraft.

Als „Verbrechen“, die unter die Strafmilderung fallen, zählt die Ankündigung auf: „Aufhetzen zur Selbstverbrennung“, Zeigen von Dalai-Lama-Bildern bei Gedenkversammlungen nach Selbstverbrennungen und Beileidsbekundungen an Angehörige, „separatistische“ Parolen rufen, „rechtswidriges“ Fotografieren oder Filmen von Selbstverbrennungen und Versand des Materials in das Ausland, „Verbreiten von Gerüchten“ und „provokative Gespräche“.

Wenn Personen der Polizei Informationen über geplante Selbstverbrennungen übermitteln oder die Namen derjenigen verraten, die Beileidsbesuche abstatten, werden Geldsummen von umgerechnet Fr. 150 bis 30‘000 als Belohnung versprochen.

Quellen: Free Tibet Campaign; Tibet Watch; Phayul